Michael Rottmann zur Corona-Lücke

Worauf es in der Schule jetzt auch ankommt

Zwischen Corona-Shutdown und Sommerferien fahren die Schulen allmählich wieder ihren Betrieb hoch. Trotzdem kann es nicht einfach weitergehen wie gehabt. Worauf es jetzt ankommt, sagt Michael Rottmann in seinem Kommentar.

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Zwischen Corona-Shutdown und Sommerferien fahren die Schulen allmählich wieder ihren Betrieb hoch. In Nordrhein-Westfalen sollen auch die Grundschüler ab dem 18. Juni wieder zum analogen Unterricht kommen. Trotzdem kann es nicht einfach weitergehen wie gehabt. Worauf es jetzt ankommt, sagt Michael Rottmann in seinem Kommentar.

Die Schulen füllen sich langsam. In zaghaften Schritten kommt neues Leben in die Klassenzimmer. Immer mehr Kinder lernen wieder gemeinsam, zunächst meist zeitversetzt in Kleingruppen und auf Abstand, aber immerhin.

Und worauf kommt es jetzt besonders an? Etwa darauf, nun im Eiltempo Stoff nachzuholen, um irgendwie das verpasste Pensum doch noch zu schaffen? Getrieben von der Sorge, dass sonst das nötige Rüstzeug für Ausbildung oder Studium fehlt. Bildungsforscher haben längst einen Begriff dafür: „Corona-Gap“, (zu deutsch: „Corona-Lücke“).

 

Binomische Formeln und Punische Kriege

 

Natürlich ist da etwas dran. Natürlich mussten viele Pädagogen Unterrichtsstoff auf Wesentliches konzentrieren, selbst wenn digitale Alternativen zumindest in höheren Klassen einigermaßen funktioniert haben. Aber der Blick auf mögliche Wissensdefizite darf jetzt nicht die einzige Sorge sein.

Hoffentlich werden Kinder und Jugendliche beim Wiedereinstieg in den Schulbetrieb nicht nur gefragt, was sie von den Formeln und Vokabeln von vor der Schließung noch herunterrattern können: Binomische Formeln, Punische Kriege, unregelmäßige Verben, zack, zack, zack – um dann möglichst schnell und reibungslos in den Alltag zurückzufinden und Corona nach und nach zu vergessen oder zu verdrängen. Corona? Pandemie? War da was?

 

Abschottung hat Spuren hinterlassen

 

Hoffentlich lassen die Schulbehörden den Pädagogen den jetzt nötigen Freiraum für etwas mindestens ebenso Wichtiges: Zeit und Raum, um mit Kindern und Jugendlichen auch über das in einen Austausch zu kommen, was sie in den vergangenen Wochen bedrängt hat und immer noch bedrängt.

Zum Beispiel über die Spuren, die die Wochen der Abschottung in vielen Seelen hinterlassen haben. Wie sie sich in der Krise gefühlt haben. Was sie für ihr Leben gelernt haben. Solche Fragen. Damit sie ihre Erfahrungen und Sorgen nach und nach verarbeiten können. Auch dafür muss beim Neustart Zeit sein – und zwar nicht nur im Religionsunterricht.

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