Initiative „Kirchenwandel“ zeichnet Video-Statements auf

Wut, Frust, aber auch Hoffnung - Gläubige reden in Ibbenbüren Klartext

Kirchenfrust und Mut zur Veränderung sowie Kirche und Gemeinde vor Ort zur Sprache zu bringen: An drei Tagen konnten Christen aus Ibbenbüren und Brochterbeck vor der Kamera ihre Meinung sagen. | Video: Marie-Theres Himstedt

  • Alles mal rauslassen – bei einem dreitägigen Videodreh im Gemeindezentrum St. Ludwig Ibbenbüren konnten Menschen ihre Meinung zur derzeitigen Situation der Kirche loswerden.
  • Die private Initiative „Kirchenwandel“ hat den Dreh organisiert.
  • Die Statements im Stil der ARD-Doku „Wie Gott uns schuf“ sind ab 6. März online.

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Ein bisschen Lampenfieber liegt in der Luft im Gemeindezentrum St. Ludwig in Ibbenbüren, aber vor allem eins: Wut und Unverständnis über die Situation der Kirche derzeit. Die private Initiative „Kirchenwandel“ hat Menschen aus dem Pfarrverbund Ibbenbüren und Brochterbeck eingeladen, sich vor der Kamera Luft zu machen und dafür auf eigene Kosten ein Filmset mit zwei Videografen aufbauen lassen.

„Es hat sich eine kleine Gruppe zusammengefunden aus engagierten Christen, die betroffen waren von den Themen Missbrauchsgutachten aus München und der Aktion #OutInChurch. Was ist Menschen in der Kirche angetan worden – der Gedanke führte dazu, dass wir deutlich sagen wollen, auch uns reicht es, wie Kirche sich entwickelt hat. Wir möchten nicht einfach zusehen, wir möchten nicht einfach nur schweigen, für uns hat Kirche tatsächlich noch Bedeutung, wie wir sie erlebt haben und erleben, auch hier vor Ort“, sagt Barbara Kurlemann. Sie engagiert sich gemeinsam mit Bernhard Nadicksbernd, Wilfried Prior, Martin Weber, Wolfgang Wiggers und Reinhild Zumdick in der Gruppe innerhalb der katholischen Kirche von Ibbenbüren und Brochterbeck.

Betroffenheit vor Ort zeigen

Ähnlich der ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf – Coming-out in der Katholischen Kirche“ sollen in Videoclips unter dem Arbeitstitel „Mir reicht’s! Kirche muss sich jetzt ändern!“ Gesichter und Betroffenheit vor Ort gezeigt werden. „Was bedeutet mir Kirche, was macht für mich Kirche aus? Welche Geschichte habe ich mit meiner Kirche? Was sind meine Enttäuschungen, Ärger, Wut, Ängste?“ lauten die Leitfragen für die Protagonisten, die sich an diesen drei Tagen vor der Kamera äußern möchten.

Für das Setting haben die Videografen Nico Ahmann und Erik Schlieker einige Scheinwerfer und verschiedenfarbige Hintergründe mitgebracht: „Jeder kann das sagen, was er möchte, es wird nicht zensiert“, ist den Filmemachern wichtig. Die Osnabrücker Studenten mit einer eigenen Produktionsfirma fotografieren unter anderem sonst die Erstkommunion-Kinder der Pfarrei – so kam der Kontakt zustande.

Kirchenwandel mitgestalten

Andrea Balsmeier ist eine der 26 Mitwirkenden, die sich über einen elektronischen Kalender einen „Slot“ gebucht hat, damit die Aufnahmen möglichst Corona-konform und nacheinander stattfinden können. Trotz Wut hat sie vor einem eins im Sinn: „Ich möchte den Kirchenwandel mitgestalten“, das ist ihr wichtig.

Marie-Luise Dierkes dagegen ist sichtlich angefasst, als sie sagt: „Synodaler Weg – das ist doch alles nicht neu!“ Im Diözesanforum im Bistum Münster in den 90er Jahren hätten viele Engagierte bereits viel Gutes zu Papier gebracht – kaum etwas davon wurde konkret umgesetzt: „Das Priestertum der Getauften – dieser verschollene Gedanke muss zu Ende gedacht werden“, fordert sie.

Pfarrer Weber: „Die Kacke ist am Dampfen“

Der dreitägige Videodreh wird jeweils von einem Mitglied der Gruppe „Kirchenwandel“ begleitet: „Die Kacke ist am Dampfen – das muss jetzt mal klar benannt werden“, nimmt Pfarrer Martin Weber kein Blatt vor dem Mund. Er spricht von einer Leidens- und Lebensgemeinschaft und betont, dass dieses Videoprojekt neben den dokumentierten Statements und der Hoffnung gehört zu werden, auch weitere Chancen biete: „Viele kommen und bleiben zu einem Gespräch – vor und nach dem Dreh.“

Alle Clips werden ab dem 6. März auf der Internetseite www.kirchenwandel.de zu sehen sein.

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