Anzeige
Keine ganze Woche ist es her, dass Papst Franziskus entschieden hat, dass vier Erz- und Weihbischöfe in Hamburg und Köln im Amt bleiben können, obwohl sie entweder ihren Rücktritt angeboten oder ihr Schicksal in die Hände des Heiligen Vaters gelegt haben. Die Entscheidung hat für viel Unverständnis gesorgt. Wie würde sich das in der Synodalversammlung zeigen? Wie würden Bischöfe und Laien damit umgehen? Mit einer veränderten Tagesordnung gleich zu Beginn.
Wut, Enttäuschung, Verzweiflung, handfeste Angst, dass das alles nichts bringt: Die aufgeladene Atmosphäre nach den päpstlichen Entscheidungen in den Erzbistümern Hamburg und Köln ließ sich beim Start der nächsten Etappe des Synodalen Wegs mit Händen greifen. Hier und da war im Vorfeld von möglichen "Entsolidarisierungs-Aktionen" zu hören, doch so weit kam es nicht. Bevor es allerdings an die umfangreiche Tagesordnung ging, verordneten sich die 214 versammelten Delegierten der Synodalversammlung im Frankfurter Congress-Centrum eine Auszeit.
Eine Stunde lang konnten sie einzeln sagen, was sie denken, was es für sie persönlich und den Synodalen Weg bedeutet, dass Papst Franziskus die Rücktrittsangebote von vier Bischöfen abgelehnt und auch den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki im Amt belassen hat. Vertreter von Jugendverbänden, der Katholischen Frauengemeinschaft und etwa der katholischen Unternehmer äußerten sich genauso wie Pastoralreferentinnen, Priester und Bischöfe. Manche waren emotional, andere von großer Sorge erfüllt, wieder andere mit konkreten inhaltlichen Forderungen. Jeder hatte zwei Minuten, kaum einer der mehr als 20 Wortmeldungen überschritt das Limit.
"Mehr Verzweiflung als Hoffnung"
"Ich komme mit mehr Wut als Liebe, mehr Verzweiflung als Hoffnung", sagt etwa Gudrun Lux aus München. "Wohin sind wir gekommen, wenn es bei uns genauso ist wie draußen: Die Großen können machen, was sie wollen, die Kleinen hängt man?"
Von "Erschütterung, Wut und Fassungslosigkeit" berichtet auch Ulrike Göken-Huismann, geistliche Leiterin des KFD-Bundesverbands aus Goch am Niederrhein. Sie spreche für "die vielen Frauen in der Mitte unserer Gemeinden", die "weiterhin Diskriminierung erfahren". Der Synodale Weg müsse "dringend an die Arbeit": "Wir warten auf Selbstverpflichtungen der Bischöfe."
"Wir fühlen uns nicht instrumentalisiert"
Zuvor äußerte sich Johannes Norpoth, einer der Sprecher des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz. Er wies den Vorwurf des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer zurück, der Synodale Weg instrumentalisiere mit seinen Reformüberlegungen Missbrauchs-Betroffene.
Norpoth stellte klar: "Wir fühlen uns nicht instrumentalisiert durch den Synodalen Weg!" Zwar sei diese Gefahr "immer real, wo Macht im Spiel ist". Zu erleben, dass beim Synodalen Weg "endlich auch von systemischen Ursachen" für sexuellen Missbrauch gesprochen werde, sei jedoch "ein Hoffnungszeichen mit Befreiungspotenzial".
Kohlgraf: Nicht dieser Zungenschlag!
Mit deutlichen Worten startete Gregor Podschun, Bundesvorsitzender des Bundes der deutschen katholischen Jugend (BDKJ), die Aussprache. Er beklagte angesichts der römischen Personalentscheidungen, dass der Vatikan "die systemischen Faktoren nicht versteht, die Missbrauch begünstigen". Umso mehr müsse der Synodale Weg daran arbeiten, dass "diese Risikofaktoren beseitigt werden". Jenen Delegierten, die gegen Texte der Versammlung stimmten, gab er zu bedenken: "Sie stimmen dann dafür, dass die Kirche weiterhin Leid und Gewalt zulässt, weil die Risikofaktoren nicht abgestellt werden."
Das ging dem Mainzer Bischof Peter Kohlgraf deutlich zu weit. Es sei zwar "deutlich wahrnehmbar, dass das Bischofsamt beschädigt ist". Er kritisierte jedoch den "Zungenschlag", Andersdenkenden automatisch eine Mitschuld an weiterem Missbrauch zu unterstellen" und die zu beratenden Texte bereits als perfekt zu betrachten. "Wir müssen schon auch noch ringen um Formulierungen und eine Grundausrichtung."
Söding: Wie rechtfertigen sich Bischöfe vor Gemeinden?
Auch der in Münster lebende Bochumer Theologieprofessor Thomas Söding kritisierte die Entscheidungen aus Rom. "Wir haben in den letzten Tagen katastrophal wahrgenommen, wie Vertrauen verspielt wird". Das gelte nicht nur im Umgang mit Missbrauch und dessen Vertuschung, sondern auch mit "offenkundigen, aufgedeckten Fehlern".
Söding beklagte ein "absolut abgehobenes Verfahren". Zwar sei das Verhältnis der Bischöfe zum Papst grundlegend im Selbstverständnis der Kirche. "Aber wo gab es eine Rechenschaftslegung gegenüber den Gemeinden?", fragte der Theologe. "Haben wir die Strukturen, in denen es selbstverständlich ist, "für Führungskräfte, sich zu rechtfertigen gegenüber denen, für die sie in ihrem Dienst stehen?"
Overbeck: Wann ist Rücktritt unabdingbar?
Ähnliche Fragen stellte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Er bekannte, die "Geschehnisse der letzten Wochen" kämen ihm mit Blick auf die Fragen im "Macht-Forum" vor "wie eine Blaupause". Overbeck sprach sie dafür aus, zu klären, wie weit Fehler toleriert werden können und ab wann die "einen Rücktritt vom Amt unabdingbar machen". Auch müsse beantwortet werden, wie zwischen persönlicher und systemischer Schuld unterschieden werden könne, und welche Konsequenzen sie jeweils haben müssen.
Overbeck betonte, dass die Fragen nach Verantwortung und Vertrauen angesichts des Umgangs mit Missbrauch und dessen Vertuschung nicht nur aus der Perspektive der Gläubigen an die Bischöfe zu stellen sei, sondern auch in der umgekehrten Richtung.
Die Bischöfe von Regensburg und Köln, obwohl über ihre Äußerungen der letzten Tage teils heftig diskutiert wurde, nahmen zwar an dieser Aussprache teil. Wortmeldungen von ihnen gab es gleichwohl nicht.
Bußwallfahrt und Magnificat
Was kann der Synodale Weg nun an konkreten Schritten hinaus aus der Krise tun? Ulrich Hemel, Vorsitzender des Bundes katholischer Unternehmer, schlug eine Bußwallfahrt aller Bistümer vor - "als Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen und für die Lebendigkeit und Handlungsfähigkeit der Kirche".
Und Gebhard Fürst, Bischof von Rottenburg-Stuttgart, bekannte in einem emotionalen Statement, auch er sei "tief betroffen von der Situation, in die unsere Kirchen geraten ist, und über das, was sie dort hineingebracht hat". Das Bischofsamt sei "sehr beschädigt". Auch, wenn er bereit sei, "heftig zu streiten", habe er doch die Sorge, "dass wir uns verlieren", sagte Fürst und flehte geradezu: "Wir dürfen voneinander nicht lassen!"
Dass die Bereitschaft dazu wohl die Mehrheit der Synodalversammlung eint, zeigt die Einladung einer Delegierten, ihrem "Hoffnungslied" zu folgen und dem hier und jetzt Ausdruck zu verleihen. Sie begann, das Magnificat, den Lobgesang Marias, zu beten und stand dafür auf. Viele der 214 Laien und Geistlichen taten es ihr gleich. Kardinal Woelki und Bischof Voderholzer indes blieben sitzen.