Das treibt die Katholikin in ihrem Spitzenamt an

ZdK-Präsidentin Stetter-Karp: Ihre Motivation, über Frauen und Corona

Anzeige

Am Freitag hat die Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) die 65 Jahre alte Sozialwissenschaftlerin Irme Stetter-Karp zur neuen Präsidentin gewählt. In ihrem ersten Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläutert die Chefin des Spitzengremiums der katholischen Laien, warum es sich aus ihrer Sicht lohnt, weiter für christliche Werte in der Gesellschaft einzustehen und für Reformen in der Kirche zu kämpfen.

Frau Stetter-Karp, jahrzehntelang haben Sie für die Kirche gearbeitet. Woher nehmen Sie die Motivation, sich zum Ende Ihrer beruflichen Karriere an der Spitze des Zentralkomitees der deutschen Katholiken zu engagieren?

Mich treibt immer noch an, dass ich es wertvoll finde, für christliche Überzeugungen und auch eine davon getragene Politik einzustehen. Mit Blick auf die Kirche treibt mich an, dass wir mit dem Synodalen Weg zumindest eine Chance haben, ein Tor zu öffnen für eine Reform, die ich für absolut unverzichtbar halte.

Gerade Frauen warten in der katholischen Kirche seit einer gefühlten Ewigkeit auf Veränderungen. Sehen Sie wirklich eine Chance, dass es in absehbarer Zeit mehr Gleichberechtigung oder gar Priesterinnen geben wird?

Ich schöpfe Hoffnung daraus, dass es in der Mitte der Gemeinden in Deutschland sehr viele Menschen gibt, die eine Öffnung der Weiheämter herbeisehnen und diese Öffnung brauchen, wenn sie ihren Glauben teilen und ihn nicht nur als Privatangelegenheit verstehen wollen. Das ist gleichermaßen eine Frage nach der Partizipation von Frauen als auch der Suche nach Auswegen aus einer großen pastoralen Not.

Nun gibt es aber auch Katholiken, die derartige Änderungen ablehnen, die ganze Reformdebatte für falsch halten. Was machen Sie mit denen?

Mir sind diese Positionen keinesfalls egal, aber sie sind meiner Wahrnehmung nach in der Minderheit. Am Ende müssen wir, gerade beim Synodalen Weg, Perspektiven für eine Mehrheit finden. Zwischendrin braucht es das Gespräch und den Austausch von Argumenten.

Welche politischen Akzente wollen sie als ZdK-Präsidentin setzen – und was davon lässt sich besser vom neuen Standort Berlin als von Bonn aus machen?

Mit dem Standort Berlin gibt es mehr Möglichkeiten, sich kurzfristig und unkompliziert zu treffen. Das sehe ich auch bei meiner Arbeit als Vizepräsidentin der Caritas. Mir ist gleichzeitig bewusst, dass der Wettbewerb der Lobbyorganisationen in Berlin höher ist als anderswo. Aber ich glaube, wir haben einige Themen, bei denen wir punkten können.

Welche zum Beispiel?

Die Integration von Migranten oder die Betreuung von alten Menschen, die allein in einer doch eher anonymen Gesellschaft leben. Hier bringen Christen beider Konfessionen schon jetzt viel ein. Das sollten wir ausbauen in Richtung einer solidarischen, einer sorgenden Gesellschaft.

Teilen Sie die Einschätzung, dass die Kirchen in der Corona-Zeit zu wenig präsent waren?

Hinterher ist es immer leicht, kluge Ratschläge zu geben. Ich bedauere schon, dass wir uns in den zurückliegenden Monaten nicht immer angemessen um die Menschen kümmern konnten. Grundsätzlich denke ich, dass wir uns verstärkt die Frage stellen müssen, wie viel Freiheit der Einzelne haben soll, ohne sich der Verantwortung für die Folgen für die Allgemeinheit zu stellen. Wir müssen die Balance zwischen Freiheit und Selbstbestimmung einerseits sowie Solidarität und Verantwortung andererseits neu austarieren.

Was hieße das konkret für die derzeit viel diskutierte Impfpflicht?

Ich finde, der Zeitpunkt ist gekommen, dass wir fragen müssen, ob es noch verhältnismäßig ist, die Freiheit zur Nichtimpfung aufrechtzuerhalten und auf der anderen Seite in Kauf zu nehmen, dass täglich immer mehr Menschen sterben.

Anzeige