Synodalversammlung im Zeichen von "OutInChurch" und Münchner Missbrauchs-Gutachten

"Zeit, Farbe zu bekennen": Synodaler Weg tagt wieder in Frankurt

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Es geht um den Zugang für Frauen zu sakralen Ämtern, Homosexualität und den Zölibat: Von Donnerstag an kommen wieder die 230 Delegierten des katholischen Reformprozesses Synodaler Weg in Frankfurt am Main zusammen, um über Reformen abzustimmen.

Unter strengen Hygienevorschriften treffen sich Bischöfe, Kleriker, kirchliche Mitarbeiter und Ehrenamtliche im Kongresszentrum an der Frankfurter Messe. Am Mittwoch gab es eindringliche Mahnungen von katholischen Verbänden, Reformgruppen und Initiativen, dass kaum noch Zeit für Änderungen bleibe.  

Überschattet wird die dritte Synodalversammlung von der Veröffentlichung eines unabhängigen Gutachtens zu Fällen sexualisierter Gewalt im Erzbistum München und Freising, das ranghohen Klerikern moralisches Führungsversagen im Umgang mit Missbrauchstätern und -opfern nachweist. Schwer belastet wird darin auch der frühere Münchner Erzbischof und heutige emeritierte Papst Benedikt XVI., Joseph Ratzinger.

"OutInChurch": Wir haben einen langen Atem

Hinzu kommt die Kampagne von rund 125 kirchlichen Mitarbeiten der Initiative "OutinChurch". Sie hatten sich vergangene Woche als queer geoutet. Mit-Initiator Jens Ehebrecht-Zumsande wiederholte am Mittwoch die Forderung, das kirchliche Dienstrecht so zu ändern, dass die Sexualität oder die Geschlechtsidentität einer Anstellung bei der Kirche nicht mehr im Wege steht. Er sagte: "Wir haben einen sehr langen Atem."

Für die Sprecherin der bayerischen Initiative "Sauerteig", Irene Krapf, ist der Synodale Weg die letzte Chance für eine Wende. "Es gibt noch Menschen wie wir, die bereit sind für eine Erneuerung", sagte sie. Die Initiative setzt sich für die Belange von Betroffenen sexualisierter Gewalt ein und fordert eine transparente Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche.

"Wir sind Kirche": Neue Schubkraft nötig

Auch der Bundessprecher der Reformbewegung "Wir sind Kirche", Christian Weisner, betonte, der Synodale Weg sei an einem Wendepunkt.

Es gehe nun darum, dem Prozess «neue Schubkraft» zu verleihen. Immer noch gebe es Bischöfe, die die Notwendigkeit von Reformen nicht erkennen würden. Er forderte zudem ein Sofortprogramm. "Was kirchenrechtlich schon jetzt möglich ist, muss unverzüglich in den Diözesen angegangen und umgesetzt werden." Die Bischöfe dürften nicht bis zum Abschluss des Synodalen Weges warten.

"Weniger darf es nicht sein"

"Jetzt ist der Zeitpunkt, Farbe zu bekennen", schreiben die Theologie-Lehrenden Julia Knop, Bernhard Emunds, Matthias Sellmann und Gregor-Maria Hoff in einem Gastbeitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Donnerstag). Es brauche "effektive Machtkontrolle und -begrenzung auf allen Ebenen, ein lebbares Priesterbild, grundrechtliche Standards und wirksame Maßnahmen gegen geschlechtsbezogene Diskriminierung in der katholischen Kirche. Weniger darf es nicht sein."

Intensive Debatten unter den 230 Mitgliedern der Synodalversammlung erwartet die Theologin Agnes Wuckelt. Mit Blick auf Änderungsanträge zu einigen der 13 vorliegenden Papiere zeichne sich ein grundsätzlicher Konflikt ab. Es bestehe Uneinigkeit darüber, inwiefern die "Zeichen der Zeit" und die Erfahrungen der Menschen von heute Quelle von Theologie sein könnten.

Sinneswandel in der Sexualmoral?

Ein Beispiel für den Richtungsstreit dürfte die Diskussionen um das Thema Sexualmoral liefern. Der Theologe Andreas Lob-Hüdepohl wies in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) den Vorwurf zurück, der Synodale Weg ignoriere die traditionellen katholischen Positionen. "In dieser Debatte schauen wir auch auf die Lehren der Kirche", betonte Lob-Hüdepohl. "Wir nehmen sie aber nicht selektiv wahr, sondern sehen auch ihre stete Entwicklung, die selbst Brüche kennt. Anders als manche kirchlichen Hardliner, die so tun, als wären ihre ethischen Auffassungen schon immer und für alle Zeiten in Stein gemeißelt."

Der Aachener katholische Bischof Helmut Dieser hofft auf einen Sinneswandel im Vatikan beim Thema Homosexualität. "Ich hoffe, dass es unterschiedliche Wege in der Kirche geben darf und geben wird, dass wir zum Beispiel Segensfeiern für homosexuelle Paare haben werden, während sie in anderen Teilen der Weltkirche noch undenkbar sind", sagte Dieser im Interview der "Aachener Nachrichten" (Mittwoch). Der Papst spreche anders über dieses Thema als seine kurialen Behörden. "Es ist auffällig, wie viel konstruktiver und positiver Franziskus sich über Homosexualität äußert."

Lüdecke: Grundsätzlicher Konstruktionsfehler

Für den Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke liegt darin der grundsätzliche Konstruktionsfehler. In der "Rheinischen Post" bezeichnete er die Initiative als "große Täuschungsaktion der Bischöfe". Dort würden Dokumente als Entscheidungen verkauft, "die ja bloß ein unverbindliches Äußern von Meinungen und Bitten sind. Und die Laien machen das einfach mit und geben dazu die Bühne, auf der die Bischöfe sich als dialogbereit inszenieren können."

Der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück warnte vor einer Instrumentalisierung von Missbrauchsopfern. Wer beim Synodalen Weg Reformen fordere und sich dabei auf ein "besonderes Lehramt der Betroffenen" berufe, vereinnahme deren Leiden, schreibt Tück in einem Gastbeitrag auf dem Portal katholisch.at. Statt die Debatte emotional aufzuladen, sollten Sachargumente im Vordergrund stehen.

Lehner: Erst die "innere Reform"

Für den Kirchenhistoriker Ulrich Lehner laufen die Synodalen Gefahr, in eine falsche Richtung zu gehen. Man habe noch nicht "die Lektion gelernt, dass Kirchenreform mit der inneren Reform beginnen und enden und daher mit einer Glaubensinitiative einhergehen muss", sagte Lehner im KNA-Interview.

Die dritte Synodalversammlung tagt bis Samstag in Frankfurt. Zum Auftakt planen Frauenverbände und Reformgruppen, dem Präsidium des Synodalen Wegs einen Offenen Brief zu überreichen. Damit wollen sie die Synodalen laut eigenem Bekunden unterstützen und den Beratungen "neue Schubkraft" verleihen.

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