„Eine Liturgie für das moderne Leben“

Zum 85. Geburtstag des Dichters Huub Oosterhuis

Die Lieder des niederländischen Dichters Huub Oosterhuis sind in den Kirchen seiner Heimat so beliebt, dass so mancher scherzhaft von „Oosterhäusern“ spricht. Aber auch hierzulande finden seine Werke großen Anklang.

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Kirchenliedern hört man mitunter an, dass sie wie aus der Zeit gefallen wirken. Anders bei Titeln von Huub Oosterhuis. Seine Lieder und Gebete, theologischen Essays und Lyrik bringen Fragen und Nöte des modernen Menschen auf den Punkt. Und so prägten und prägen Oosterhuis' beliebte Texte die liturgische und kirchenmusikalische Landschaft in seiner niederländischen Heimat. Über religiöse Grenzen hinaus ist er eine geachtete Autorität. Am 1. November 2018 feiert der große Dichter und Liturgiereformer seinen 85. Geburtstag.

Dabei ist Oosterhuis nicht nur in den Niederlanden eine Größe. 2014 erhielt er für sein Lebenswerk den Ökumenischen Predigtpreis des Verlags für die Deutsche Wirtschaft. Mit seinen Liedern, Gebeten und liturgischen Texten zähle er auch im deutschsprachigen Raum zu den wichtigsten Gestaltern des religiösen Lebens, lobte die Jury. Seine Texte drückten das Lebensgefühl von Christen in der Gegenwart beispielhaft aus.

 

Jesuit, katholischer Priester, verheiratet

 

Huub Oosterhuis war Jesuit, katholischer Priester und seit 1965 Pfarrer der Amsterdamer Studentengemeinde. Diese „Studentenekklesia“ war stark vom Zweiten Vatikanischen Konzil beeinflusst und verstand sich früh als eine Werkstatt für die Erneuerung der Liturgie. Der eigenständige Weg, den die Gemeinde ging, führte in der Folge zu Auseinandersetzungen mit der Bistumsleitung, bis sich die Studentenekklesia seit 1970 vom Bistum löste und als Basisgemeinde fortexistierte.

Oosterhuis führte die Gemeinde weiter, auch nachdem er 1969 aus dem Jesuitenorden ausgetreten war und später heiratete. Der Verbreitung seiner Texte und Lieder auch in der katholischen Kirche hat dies nicht geschadet.

 

„Ich bin immer kleiner als mein Lied“

 

Das Lied „Ich steh vor Dir mit leeren Händen, Herr“ steht unter der Nummer 422 im neuen Gotteslob. | Foto: Martin Schmitz
Das Lied „Ich steh vor Dir mit leeren Händen, Herr“ steht unter der Nummer 422 im neuen Gotteslob. | Foto: Martin Schmitz

Bis heute umfasst Oosterhuis' Werk mehr als 30 Bücher, seine Lieder und Gottesdienste sind auf 25 CDs versammelt. Seine Texte wurden in viele Sprachen übersetzt. In das neue Gotteslob haben fünf Lieder Eingang gefunden. „Ich steh vor Dir mit leeren Händen, Herr“ oder „Herr, unser Herr, wie bist Du zugegen“ gehören hierzulande zum festen Liedgut.

Die Person Oosterhuis ist hinter seinem Werk immer stark zurückgetreten – ganz im Sinne des Autors, der diese Haltung mit den Worten „Ich bin immer kleiner als mein Lied“ auf eine einprägsame Formel gebracht hat. Bei großen Auftritten verzichtete er auf jedes Pathos, etwa als er bei der Beisetzung seines Freundes, des niederländischen Prinzen Claus, die Trauerrede hielt.

 

Zweites Vatikanum prägt Oosterhuis' Arbeit

 

Nicht zufällig fällt der Beginn seines literarischen Wirkens in die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es ist dessen Anspruch, die Zeichen der Zeit zu erkennen und das Evangelium in die Gegenwart des heutigen Menschen zu tragen, der Oosterhuis' literarische und liturgische Arbeit von Anfang an bestimmte.

„Wir streben eine Liturgie an“, schrieb er schon 1962, „die dem modernen Leben nicht wie eine unverständliche Welt gegenübersteht, sondern die ihre Worte und Handlungen mindestens ebenso sehr am heutigen existenziellen Erleben wie am Stil der Tradition ausrichtet.“

 

Keine leichte Kost

 

Seine Texte sind keine leichte Kost. Es sind formstrenge Werke, die auf der Grundlage einer genauen Bibelexegese entstanden sind und ein genaues Hinhören verlangen. Ein gefälliges Arrangement und forcierte Popularität sucht man hier vergebens. Nicht nur ein Großteil des neuen geistlichen Liedguts der 1970er und -80er Jahre, auch die in Betsingmessen weit verbreiteten neueren Kirchenlieder aus dem Thurmair-Umfeld wirken – stellt man sie Oosterhuis' Gesängen gegenüber – inhaltsarm, unverbindlich und oft banal.

Im Mittelpunkt seiner Texte steht der suchende, unerlöste, ungeborgene Mensch auf der Suche nach Gott, der – wie ein alttestamentarischer Psalmbeter – Gott gegenüber auch Distanz und Unverständnis ausdrücken darf, wie etwa in Oosterhuis' wohl bekanntestem Lied „Ich steh vor Dir mit leeren Händen, Herr“: „Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott, mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen? Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt? Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen.“ Mit Texten wie diesem zählt Oosterhuis zu den bedeutendsten religiösen Autoren der Gegenwart.

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