"Pastorale Pfarreileitung" aus Laien und Pfarrer Jochen Reidegeld

Zwei Frauen sollen künftig Pfarrei in Steinfurt mit einem Team leiten

  • Ein Gremium aus Laien und Pfarrer soll künftig die Pfarrei St. Nikomedes in Steinfurt leiten.
  • Anders als eine Zeitung heute meldete, ist die Pfarrei darüber in gutem Austausch mit dem Bistum.
  • "Je mehr Menschen an echter Verantwortung teilhaben, um so mehr können wir eine empathische Seelsorge bieten“, sagt Pfarrer Jochen Reidegeld.

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Ein zehnköpfiges Gremium aus Laien und dem Pfarrer soll künftig die Pfarrei St. Nikomedes in Steinfurt leiten. Dafür hat sich der Pfarreirat im Anschluss an eine dreitägige Klausurtagung ausgesprochen, wie Pfarrer Jochen Reidegeld im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de" bestätigte.

Die Spitze einer „Pastoralen Pfarreileitung“ (PPL) soll demnach von zwei Frauen aus der Pfarrei - Yvonne Huesmann und Simone Kaiser-Warmeling - angeführt werden. Zusammen mit Reidegeld, Pastoralreferent Torsten Oster und Ralf Uhlenbrock sollen sie den Vorstand bilden und die Tätigkeiten der PPL leiten.

Laien können Pfarrer überstimmen

Das Gremium soll für alle pastoralen Belange verantwortlich sein. - „Damit kann ich in diesen Fragen durchaus auch bindend überstimmt werden, das unterstütze ich ausdrücklich“, erläutert Reidegeld.

Bei finanziellen Angelegenheiten hingegen bleibt der Pfarrer - zusammen mit dem Kirchenvorstand - verantwortlich. So sehen es sowohl kirchenrechtliche als auch staatskirchenrechtliche Normen bislang vor. Münsters Generalvikar Klaus Winterkamp hatte im Interview mit „Kirche-und-Leben.de" allerdings auch hier Änderungen im Rahmen einer derzeit laufenden Strukturreform für denkbar gehalten.

Widerspruch gegen Zeitungsmeldung

Jochen ReidegeldJochen Reidegeld ist seit 2020 Pfarrer von St. Nikomedes Steinfurt und Kreisdechant. | Foto: Gudrun Niewöhner (pbm)

Dass die Steinfurter Entscheidung ohne Rücksicht auf eine Reaktion der Bistumsleitung in Münster umgesetzt würde, wie eine Zeitung heute gemeldet hat, sehen Reidegeld und das Gremium anders: „Bischof Genn hat ja zum einen ausdrücklich zu Experimenten aufgerufen“, erklärt Reidegeld. Zum anderen sind wir in gutem Austausch mit der Hauptabteilung Seelsorge, mit der wir jetzt über unsere Pläne ins Gespräch kommen wollen.“

Der Geistliche ist zudem Kreisdechant sowie Experte für Kirchenrecht und war bis zu seinem Wechsel 2020 nach Steinfurt stellvertretender Generalvikar in der Verwaltung der Diözese.

Reidegeld: Alle Getauften ernstnehmen

Reidegeld sieht dringenden Reformbedarf. Die Zeit der alleinigen Machtausübung durch den Pfarrer oder andere Priester sei endgültig vorbei. „Es braucht andere Formen der Leitung, die auf mehrere Personen verteilt werden muss - und natürlich maßgeblich auf Laien, auch auf freiwillig Engagierte aus den Gemeinden.“ Die Akzeptanz der Kirche werde weiter nachhaltig schwinden, „wenn wir nicht endlich ernst machen damit, die Verantwortung und Charismen aller Getauften in unserer Kirche ernstzunehmen und sie in der konkreten Gestalt von Kirche zu leben“, sagt Reidegeld.

„Die Form der Pfarreileitung, wie wir sie uns in Steinfurt wünschen, will genau das realisieren. Dabei geht es nicht darum, gegen jemanden oder etwas zu handeln, sondern das Klausurwochenende hat eine durch und durch positive Stimmung geprägt. Je mehr Menschen an echter Verantwortung teilhaben, um so mehr können wir als Christinnen und Christen auch eine empathische und zugewandte Seelsorge für die Menschen in unserer Stadt bieten.“

Ähnliche Modelle in anderen Pfarreien des Bistums

So wie in Steinfurt geplant werden bereits andernorts im Bistum Münster Pfarreien geleitet - so etwa in Freckenhorst und Hoetmar bei Warendorf von vier Ehrenamtlichen und vier Hauptamtlichen. Ähnlich sieht es ganz in der Nähe, in Beelen, Sassenberg und Füchtorf, aus. Die Pfarrei St. Willibrord Kleve am Niederrhein leitet seit Herbst 2021 ein Team aus je zwei Vertretern von Seelsorgeteam (das von einer Frau geführt wird), Pfarreirat und Kirchenvorstand. In Saerbeck (Kreis Steinfurt) teilt sich Pastoralreferentin Anja Daut die Leitung der Pfarrei St. Georg mit Pater Hans-Michael Hürter.

"Wir sind also nicht allein in unseren Bemühungen und glauben nicht, allein den Stein der Weisen zu haben", betont Reidegeld. "Aber wir haben den Wunsch, einen ganz konkreten Beitrag zur konkreten Erneuerung leisten zu können.“

Bistum begrüßt die Pläne in Steinfurt

Das Bistum reagiert entsprechend auch auf die Pläne in Steinfurt positiv. Zwar habe im Generalvikariat bislang niemand davon gewusst, erklärte Pressesprecher Stephan Kronenburg am Abend im WDR-Fernsehen. "Von der Sache her aber begrüßen wir das. Es wird mit Sicherheit der Weg in die Zukunft der Kirche sein, dass Laien mehr Verantwortung übernehmen." Das sei eine Chance, die sich auch aus der Tatsache ergebe, dass die Zahl der Priester immer weiter zurückgehe.

UPDATE: Reaktion des Bistums (17.02.2022, 12:00 / mn)

 

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