Gemeinsamkeiten stärken – Unterschieden gerecht werden

Zwei Konfessionen, ein Unterricht – wie geht das?

Das Bistum Münster setzt wie andere Diözesen und die evangelische Kirche in Nordrhein-Westfalen darauf, ab dem Schuljahr 2018/19 katholische und evangelische Schüler auch zusammen zu unterrichten.

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Die Schülerzahlen im katholischen wie evangelischen Religionsunterricht gehen stark zurück. Das liegt am demografischen Wandel und an weniger Taufen. Die Konsequenz lautet: Da, wo es viele anderskonfessionelle oder nicht religiös gebundene Schüler gibt und sich eine konfessionell einheitliche Lerngruppe nicht aufrechterhalten lässt, darf es künftig gemischt-konfessionelle Lehrformen geben. Das Zauberwort lautet: katholisch-evangelische Kooperation.

Vor wenigen Monaten unterzeichneten die Bistümer Aachen, Essen, Münster und Paderborn, die evangelischen Landeskirchen von Rheinland und Westfalen sowie die Lippische Landeskirche eine Vereinbarung über konfessionell-kooperativen Religionsunterricht.

 

Ab Schuljahr 2018/19 konfessionell-kooperativ

 

Ab dem Schuljahr 2018/19 wird diese Organisationsform des Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen an Grundschulen und in der Sekundarstufe I möglich sein. „Gemeinsamkeiten stärken – Unterschieden gerecht werden“ lautet der Grundsatz für den gemeinsamen Unterricht.

„Der Religionsunterricht soll die Jugendlichen zu einer gesprächs- und pluralitätsfähigen Identität befähigen“, betont Christian Schulte, Abteilungsleiter Religionspädagogik in der Schulabteilung des Bistums Münster.

 

Kein ökumenischer Unterricht

 

„Sie sollen über den eigenen Glauben und den Glauben der anderen sprechen können, die eigene Konfession kennen, aber auch für die der anderen sensibel sein.“ Dabei gehe es weder um einen ökumenischen noch religionskundlichen Religionsunterricht, den das Grundgesetz gar nicht vorsehe, und auch um kein neues Fach oder um ein reines Organisationsmodell.

„Stattdessen machen wir den Schulen ein organisatorisches und fachdidaktisches Angebot, das bisherige Grauzonen, in denen katholische und evangelische Schüler bereits zusammen unterrichtet wurden, auf rechtlich gesunde Füße stellt“, erklärt Barbara Bader, als Referentin zuständig für die Grundschulen.

 

Angebot soll keine Lehrkräfte einsparen

 

„Dabei ist uns bewusst, dass viele Schulen in Münster und dem Münsterland nach wie vor keine Probleme haben, einen klassischen katholischen Religionsunterricht anzubieten“, sagt Bader. „Außerdem ist uns wichtig, dass das Angebot nicht für Einsparungen bei den Lehrkräften missbraucht wird.“

Derzeit läuft die Phase, in der die Schulen, die im kommenden Schuljahr konfessionell-kooperativen Religionsunterricht einführen wollen, einen Antrag an die Bezirksregierung stellen müssen. Die Bezirksregierung prüft die Anträge, stellt mit den Kirchen das Einvernehmen her und teilt die Entscheidung den Schulen mit.

 

Schulen müssen eigenes Konzept erstellen

 

Da es sich bei katholischer und evangelischer Theologie um zwei eigenständige Fächer handelt, muss jede Schule ein fachdidaktisches und fachmethodisches Konzept erstellen. Auch muss sichergestellt sein, dass konfessionsverbindende und -spezifische Themen angemessen behandelt werden.

Bader: „Einen nach einem starren zeitlichen Konzept stur ablaufenden Lehrerwechsel wie in anderen Kooperations-Modellen wollen wir nicht. Aber selbstverständlich ist mit dem konfessionell-kooperativen Religionsunterricht auch ein verbindlicher Fachlehrerwechsel verbunden.“

 

Bistum Münster bietet spezielle Fortbildungen an

 

Der könne sich flexibel an thematischen Schwerpunkten orientieren. So sei es denkbar, dass das Thema „Reformation“ vom evangelischen und das Thema „Eucharistie/Kommunion“ von der katholischen Lehrkraft unterrichtet werden. „Aber da muss jede Schule sehen, wie sie das realisiert“, so die Referentin.

Um zu gewährleisten, dass die an dem Modell beteiligten Lehrer sowohl konfessionsbewusst wie konfessionssensibel unterrichten können, führt das Bistum Münster derzeit obligatorische Fortbildungen durch, die von konfessionell gemischt zusammengesetzten Moderatorenteams geleitet werden.

 

 Schulte: Aus der Not eine Tugend machen

 

Offen ist noch, wie viele Schulen sich beteiligen werden. Schulte: „Sie können zukünftig immer zum Ende eines Halbjahres für das darauffolgende Schuljahr Anträge stellen. Mittelfristig wollen wir dann alle Schulen erreichen, aber das ist Zukunftsmusik.“

Die Schulabteilung verstehe sich als Dienstleister für die Schulen. Von einer Krise des Religionsunterrichts will der Experte nichts wissen: Man dürfe nicht die Defizite verstärken, sondern müsse nach vorn blicken und aus der Not eine Tugend machen, so Schulte.

 

 Erzbistum Köln macht nicht mit

 

Große Bedeutung habe das Glaubenszeugnis des Lehrers, aber letztlich bleibe der Religionsunterricht ein Angebot, zu dem niemand gezwungen werde. „Er ist weder cool noch hot. Entscheidend für den Erfolg ist das Urteilen und Handeln am Menschen“, ist Schulte überzeugt.

Doch bei aller Freude über den konfessionell-kooperativen Unterricht in NRW gibt es einen Wermutstropfen: Das Erzbistum Köln hält am konfessionellen Unterricht fest. Hauptargument: Da jeder dritte Schüler im Erzbistum katholisch sei, bestehe noch kein Handlungsdruck, alternative Modelle zu entwickeln.

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