Seit drei Jahren gibt es die Mini-Kommunität der Apostolischen Gemeinschaft

Zwei Pallottiner in einer WG mit Hund in Münster

Die Pallottiner haben seit drei Jahren eine kleine Kommunität in Münster: Matthias Terhorst und Rainer Autsch leben mit Hund Xabi zusammen in einer außergewöhnlichen Wohngemeinschaft.

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Ein promovierter Kirchenrechtler, ein Berufsschul-Lehrer für Sport und Religion und ein Hund namens Xabi – die Besetzung der kleinen WG an der Frauenstraße in Münster hört sich spannend an. Das ist sie aber noch aus einem ganz anderen Grund: Bei Matthias Terhorst und Rainer Autsch mit ihrem Golden Retriever handelt es sich um eine außergewöhnliche Gemeinschaft. Sie sind Pallottiner und leben in der kleinstmöglichen Form einer Kommunität: zu zweit.

„Aus ganz praktischen Gründen“, beschreibt Bruder Matthias den Entschluss, vor etwa drei Jahren in der Wohnung im Schatten der Überwasserkirche zusammenzuziehen. Beide hatten sie zuvor in Kommunitäten in Dortmund gewohnt. Ihre Arbeitsplätze hatten sie aber damals schon an anderen Orten. Terhorst arbeitet am St.-Franziskus-Berufskolleg in Hamm, Autsch beim bischöflichen Diözesangericht in Münster. „Wir mussten beide pendeln.“ Jetzt fährt nur noch der Lehrer.

 

In der Pallottiner-Diaspora

 

Dass sie sich mit dem Umzug noch tiefer in die Pallottiner-Diaspora begaben, war klar. Der Großteil der Niederlassungen ihrer Gemeinschaft, vor allem die großen Häuser, befindet sich weiter im Süden. Im Norden gibt es nur noch in Bad Zwischenahn und in Hamburg einige Mitbrüder. Ihren geringen Bekanntheitsgrad im Bistum bekamen sie anfangs oft zu hören, sagt Pater Rainer. „Viele wussten mit unserem Namen gar nichts anzufangen.“ Auch ihre Tracht, ein schwarzes Habit mit schwarzem Zingulum, war neu im münsterschen Erscheinungsbild.

„Das hat aber niemanden daran gehindert, uns herzlich aufzunehmen“, sagt Bruder Matthias. Bei der Wohnungssuche bekamen sie Unterstützung vom Bistum. Pater Rainer konnte mit einer halben Stelle in die Seelsorge von Liebfrauen-Überwasser wechseln. „Außerdem steht der Gründer unserer Gemeinschaft, der heilige Vincenzo Pallotti, im münsterschen Gotteslob“, sagt er schmunzelnd. „Das ist längst nicht in allen Diözesen so.“

 

Ordensleben in drei Zimmern

 

Aber ist die Drei-Zimmer-Wohnung mitten in Münster wirklich dazu geeignet, ein Ordensleben zu führen? Als Pater Rainer direkt nach seinem Abitur vor knapp 20 Jahren den Entschluss fasste, in die Gemeinschaft der Pallottiner einzutreten, tat er das auch „aus Begeisterung für das Gemeinschaftsleben“. Es habe aber längst nicht einen so festen Tagesrhythmus, wie es in Klöstern vermutet wird, sagt er. „Wir sind eine sehr bunte Gemeinschaft mit vielen unterschiedlichen, individuellen Wegen.“

Das Apostolat, die Sendung in den Alltag der Menschen, steht im Vordergrund. „Wir gehen in Bereiche, in denen wir andere in ihrem Leben begleiten können“, sagt Bruder Matthias. Der 38-Jährige hat ihn in seinem Beruf als Lehrer gefunden. „Mein erstes Ziel ist es, die Schüler aufs Berufsleben vorzubereiten.“ Dass er das als Pallottiner macht, ist ihm wichtig. „Ich transportiere dabei mein Menschenbild – Werte, Haltung, Hintergründe.“ In seinen Augen kann er das in Jogginghose in der Turnhalle, aber genauso gut wie beim Schulgottesdienst im Habit.

 

Gewand schafft Distanz

 

Sein Gewand trägt er im Arbeitsalltag kaum. „Weil ich spüre, dass es Distanz aufbauen kann.“ Er zieht es gern an, sagt er. „Aber ich nehme dann eine andere Rolle ein.“ Die des Ordensmannes, der aus einer unbekannten Welt kommt. Dadurch wird sein Auftreten gleich ganz anders eingeordnet. „Das, was ich ausstrahlen möchte, geht auch ohne.“ Wenn er wie neulich mit der Jahrgangsstufe 13 den Disco-Fox für den Abschlussball übt, allemal.

Ähnlich sieht das auch Pater Rainer. In der Seelsorge ist er zwar öfter im Habit zu sehen, im bischöflichen Diözesangericht aber nicht. Auch dort geht es um Beziehungen, die er zu Menschen aus ganz unterschiedlichen Situationen aufbauen möchte. „Eins haben sie aber gemeinsam“, sagt der 37-Jährige, „sie haben eine gescheiterte Beziehung hinter sich.“ Er ist in erster Linie für Ehe-Nichtigkeitsverfahren zuständig. Auch da möchte er keine Distanz aufbauen. „Das geht ohne schwarzes Gewand oft besser.“

 

Nichts Klösterliches?

 

Zimmer in zentraler Lage, Arbeitsalltag in Zivil, Gassi-Gehen mit Xabi – hört sich so an, als sei für Klösterliches überhaupt kein Platz mehr in der WG. „Das Morgengebet um kurz nach 6 Uhr ist gesetzt“, sagt Bruder Matthias. „Das ist praktisch, danach fahre ich direkt nach Hamm.“ Mit der Laudes in der Überwasserkirche beginnt also jeder Tag. Mit dem gemeinsamen Abendessen endet er. Einmal in der Woche feiern sie eine Kommunitäts-Messe.

Das geistliche Leben macht dazwischen aber keine Pause – nur nicht klös­terlich strukturiert, sondern individuell gestaltet. „Ich bete gern bei den Fahrten im Auto oder beim Yoga“, sagt Bruder Matthias. Bei Pater Rainer hat die Spiritualität in vielen Momenten des Seelsorge-Alltags ihren Platz. „Vor allem bei der Vorbereitung der Gottesdienste.“

 

Einladend ungezwungen

 

Klingt einladend ungezwungen, wenn die beiden Pallottiner von ihrem Leben berichten: keine großen klösterlichen Zwänge, bereicherndes Alltagsleben, Kontakt zu vielen Menschen, bei dem der eigene Glaube eine Rolle spielen darf. Trotzdem haben auch die Pallottiner Nachwuchsprobleme, sagt Bruder Matthias. „Im deutschsprachigen Raum haben wir derzeit zwei Novizen und einen Postulanten.“ Er weiß das so genau, weil er für die Berufungspastoral zuständig ist. „Ernste Anfragen gibt es immer weniger.“

Vielleicht würde das anders, wenn noch mehr Menschen von der Ausstrahlung der WG in Münsters Frauenstraße erfahren würden. Von zwei jungen Männern, die aus ihrem Glauben heraus auf die Menschen zugehen. Von der unkomplizierten Gestaltung ihres Kommunitäts-Lebens. Und von der lockeren Atmosphäre in ihrem Alltag.

Die Pallottiner
Der heilige Vincenzo Pallotti gründete in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Rom die Gesellschaft des Katholischen Apostolats, aus der die Schwesterngemeinschaft der Pallottinerinnen und die Pallottiner hervorgingen. Sie sind kein Orden, sondern eine Gesellschaft apostolischen Lebens. Deshalb legen sie kein Gelübde vor Gott ab, sondern versprechen ihrer Gesellschaft Armut, Ehelosigkeit, Gehorsam, Beharrlichkeit in der Berufung, Gütergemeinschaft und selbstlosen Dienst. Es gibt weltweit etwa 2500 Pallottiner, die ihre Hauptaufgabe im sozialen Einsatz für die Menschen sehen. www.pallottiner.org

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