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Der Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils ist 60 Jahre her, Aufgaben zur Synodalität bleiben bestehen, sagt Margit Eckholt.
Die Erinnerung an den Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 60 Jahren steht im Zeichen von Synodalität, Interkulturalität und Geschwisterlichkeit. Das ist das Vermächtnis von Papst Franziskus, das sein Nachfolger Leo XIV. aufgegriffen hat in der Bestätigung der Fortsetzung des synodalen Prozesses bis Oktober 2028.
Die Weltsynode (2021–2024) hat sich in ihren Reformanliegen auf das Zweite Vatikanum und die ekklesiologische Perspektive einer sich in der Vielfalt der Ortskirchen ausgestaltenden Weltkirche bezogen: „Der synodale Weg setzt in der Tat in die Praxis um“, so das Abschlussdokument, „was das Konzil über die Kirche als Mysterium und als Volk Gottes gelehrt hat… In diesem Sinne stellt der synodale Weg einen weiteren Akt der Rezeption des Konzils dar, wodurch dessen Inspiration vertieft und dessen prophetische Kraft für die heutige Welt neu belebt wird.“ (Nr. 5)
Neue Perspektiven der Synodalität
Die Autorin
Prof. Dr. Dr. h.c. Margit Eckholt ist Professorin für Dogmatik mit Fundamentaltheologie am Institut für Katholische Theologie der Universität Osnabrück, war Mitglied in der Synodalversammlung und im Forum 3 Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche, ist Mitglied im Synodalen Ausschuss; sie ist Leiterin des Stipendienwerks Lateinamerika-Deutschland e.V. (ICALA – Intercambio cultural alemán-latinoamericano) und Co-Chair des interkontinentalen Kommentarprojekts Vatican II – Legacy and Mandate.
Zwei Perspektiven werden die neue Phase der Rezeption des Konzils in Zeiten von Synodalität begleiten: die Perspektive der Ortskirchen des Südens und die Perspektive der Frauen.
Wenn das ortskirchliche Prinzip ernst genommen wird, bedeutet dies, dass bei allen Fragen, die Reform kirchlicher Strukturen in synodalen Zeiten betreffend, den kontinentalen Perspektiven zentrale Relevanz zukommt und mit ihnen der Auseinandersetzung mit Conquista und Kolonialismus, mit Machtasymmetrien in einer globalisierten Welt und Kirche. Etwa Dreiviertel der Katholik:innen lebt in Regionen des Südens, sie müssen als Subjekte des neuen Kirche-Werdens ernst genommen werden – das ist die eine Perspektive des neuen Blicks auf das Zweite Vatikanum.
Frauenfrage bleibt aktuell
Die andere betrifft das von Johannes XXIII. in „Pacem in terris“ benannte Zeichen der Zeit der – damals sogenannten – „Frauenfrage“. Die Aussage des Galaterbriefes, in Christus gibt es „weder Sklaven noch Freien, weder Herrn noch Knecht, weder männlich noch weiblich“ (Gal 3,28; vgl. zum Beispiel LG 32; GS 29) ist eine „Grundaussage der Kirche im II. Vaticanum“ (Peter Hünermann).
Sie ist in kirchliche Stellungnahmen im Blick auf Gewalt gegenüber Frauen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft oder Familie eingeschrieben, 60 Jahre nach dem Konzil muss diese Perspektive in synodalen Zeiten auch die Struktur von Kirche prägen, die Tür für Frauen in Leitungspositionen und Ämtern in der Kirche muss geöffnet werden. (Vgl. dazu den Beitrag von Margit Eckholt in „Stimmen der Zeit“ im Oktober 2025.)
In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.