Steine und Kies auf Gräbern sind nicht nur Geschmacksache, sondern können Verwesung verhindern

Warum Langförden keine „Schottergräber“ mehr will

  • Ähnlich wie in Vorgärten finden sich auch auf Friedhöfen immer mehr ganz oder teilweise mit Steinen abgedeckte Grabflächen.
  • Fachleute haben es immer wieder mit Gräbern zu tun, in denen der Verwesungsprozess wegen des Gewichts auf den Gräbern nicht wie vorgesehen ablaufen kann.
  • In Langförden darf deshalb künftig nur noch ein Drittel einer Grabfläche mit Steinen oder Kieseln bedeckt sein.

Anzeige

Die Themen Tod und Grab gehören zu seinem Beruf. Dazu zählen auch Begriffe, die den meisten Schauer über den Rücken laufen lassen: „Leichen“ zum Beispiel oder „Verwesung“. Heinrich Westermann kann ganz sachlich darüber sprechen, auch über besonders unschöne Erlebnisse. Zum Beispiel an dem Tag, als er ein 30 Jahre altes Grab für den nächsten Verstorbenen herrichten wollte. „Wir mussten die Arbeiten abbrechen und das Grab wieder zuschütten“, sagt der Gärtnermeister aus dem oldenburgischen Visbek, „weil die Körper der Toten noch erhalten waren.“

Der lehmige Boden sei eine der Ursachen gewesen, meint Westermann, der für fünf Friedhöfe zuständig ist. Aber der Boden ist nicht der einzige Grund, dass mangelnde Verwesung mittlerweile immer öfter vorkommt. Ein neuer Trend verschärft das Problem zusätzlich: so genannte Schottergräber, die mit Kies oder Schotter auf Vlies oder Folie abgedeckt sind. Das Tonnengewicht verdichtet den Untergrund. „Dann kommt unten einfach zu wenig Sauerstoff an“, erklärt der Gärtner.

 

St. Laurentius Langförden zieht die Notbremse

 

Ähnlich wie Vorgärten sind auf vielen Friedhöfen auch Gräber ganz oder teilweise mit Kies-, Split oder Schotter bedeckt, mal kreativ mit mehrfarbig gestalteten Flächen, mal in einheitlichem Grau wie eine Steinwüste. „Immer mehr Gräber werden mit Schotter zugeschmissen“, beschreibt Sigrid Gabor von der Friedhofsverwaltung der St.-Laurentius-Pfarrei im Vechtaer Ortsteil Langförden ihre Beobachtung.

Allerdings nicht mehr lange. Denn damit soll es dort künftig vorbei sein, zumindest teilweise. Die St.-Laurentius-Pfarrei hat dafür jetzt einen neuen Passus in ihre Friedhofsordnung aufgenommen. Künftig dürfen maximal nur noch ein Drittel der Fläche eines Grabes mit Steinen bedeckt werden.

 

„Wir mussten handeln“, sagt Pfarrer Forthaus

 

„Es nimmt einfach überhand“, begründet der Pfarrer von Langförden, Ralph Forthaus, den Schritt der Gemeinde. Ein Friedhof habe eben bestimmte Aufgaben hat. Dazu zähle eben auch die, dass Leichen in 30 Jahren Liegezeit verwesen können. „Deshalb mussten wir handeln“, sagt der Pfarrer.

Das sieht Dieter Wehlage ähnlich. Er ist beim Gesundheitsamt in Vechta für Friedhöfe im Landkreis zuständig. „Auf Friedhofsflächen soll sich ein Verwesungsprozess vollziehen“, sagt er. Alles, was das hemme, müsse unterbleiben. „Und was nach 30 Jahren nicht verwest ist, mit dem passiert auch nichts mehr. Solchen Grabstellen kann man eigentlich nur noch eine unbefristete Ruhezeit einräumen.“

 

Dieter Wehlage wäre noch weiter gegangen

 

Die künftige Beschränkung auf maximal ein Drittel Kiesabdeckung in Langförden ist für Wehlage allerdings nur ein Schritt in die richtige Richtung. Er hätte es lieber gesehen, wenn die Gemeinde weiter gegangen wäre. „Ich finde, dass ein Friedhof eine natürliche Parklandschaft ist. Nach meinem Dafürhalten gehört da überhaupt keine Kies und auch keine Grabplatte hin, vielleicht noch kleine Gestaltungselemente mit bekiesten Stellen, aber mehr nicht.“

Warum aber liegen „Schottergräber“ in den letzten Jahren überhaupt immer mehr im Trend? Langfördens Pfarrer sieht als einen Grund veränderte Familienstrukturen: Familien sind kleiner, Kinder wohnen nicht mehr am Ort. „Deshalb sollen Gräber möglichst wenig Arbeit machen“. Ralph Forthaus sieht das auch an der wachsenden Nachfrage nach Rasenreihen- und pflegeleichten Urnengräbern. Immer mehr Familien gäben ihre großen Gruften mit bis zu acht Grabstellen nach dem Auslaufen der Ruhezeiten auf. „Wir empfehlen das auch!“, sagt der Pfarrer.

 

„Auch Schottergräber machen Arbeit!“, warnt der Gärtner

 

Ein Grab soll möglichst wenig Arbeit machen. Auch Gärtnermeister Westermann kann diesen Wunsch verstehen. Er warnt aber vor zu hohen Erwartungen an Schottergräber. „Ganz ohne Pflege kommen auch die nicht aus“, gibt er zu bedenken. „Weil sich auch zwischen den Steinen immer wieder Unkraut bildet, egal ob da eine Folie drunter ist oder nicht. Das lässt sich nicht verhindern.“

Rein optisch sind manche für ihn ein Graus. „Einige sehen aus wie Schotterwüsten. Mein Ding ist das nicht.“ Er schlägt den Hinterbliebenen dann lieber pflanzliche Abdeckungen vor, zum Beispiel Pinienrinde. Das sehe gut aus. „Gerade erst hat sich noch eine Familie mehrmals bedankt, dass wir das so gemacht haben“, sagt er.

Anzeige