Vitoria Oliveira absolviert ihr FSJ in Münster

Brasilianisches Temperament trifft auf deutsche Jugendhilfe - passt das?

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Vitoria Oliveira bringt brasilianisches Temperament mit: Die FSJ´lerin in der Kinder- und Jugendhilfe in Münster kann nicht nur gut kicken – sie zeigt auch südamerikanische Emotionen.

Das Klima, die Kultur, das Essen – es gibt schon noch einiges, an das sie sich noch gewöhnen muss. Ihre Heimat Brasilien ist dann doch ein ganzes Stück entfernt. Vitoria Oliveira sagt das auch noch nach sechs Monaten in Deutschland. Sie ist seit August im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) in der Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz in Münster im Einsatz. Aber bei allem, was gewöhnungsbedürftig ist – das Entscheidende braucht keine Eingewöhnungsphase: das Herz für die Kinder, die in der Einrichtung in Obhut genommen werden.

„Es ist klasse hier in Deutschland“, sagt die 22-Jährige, die nach ihrem Lehramtsstudium die Entscheidung für das Jahr im Ausland traf. So klasse, dass sie sich mittlerweile vorstellen kann, noch eine Zeit dranzuhängen. „Dafür sind aber viele bürokratische Hürden zu nehmen.“ Unmöglich ist das sicher nicht. Schon gar nicht, wenn der Verein „arco-iris“ sie weiter organisatorisch und finanziell unterstützt.

Lange Partnerschaft zwischen Münster und Timbiras

Die Initiative ist aus der Partnerschaft der St.-Franziskus-Pfarrgemeinde in Münster-Coerde und der Pfarrei Nossa Senhora in der brasilianischen Gemeinde Timbiras entstanden. Schon seit dem Weltjugendtreffen 2006 in Köln entwickelte sich eine kulturelle und soziale Zusammenarbeit. Es gab gegenseitige Besuche, Jugendaustausche und gemeinsame Bildungsprojekte. Und seit 2021 die Organisation des FSJ in Deutschland für junge Erwachsene aus Brasilien.

Für Oliveira ist die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nicht Neues. Auch in Brasilien hat sie sich ehrenamtlich in einem Projekt für junge Menschen mit Behinderung engagiert. Und doch erlebt sie in Münster eine ganz andere Kulisse dafür. „In Brasilien kümmert sich in Notsituationen die Großfamilie um die Kinder“, sagt sie. „In Deutschland braucht es die Hilfe einer Einrichtung.“

Brasilianerin bringt Emotionen rein

Dass sie mit diesem Hintergrund nicht vertraut war, zeigte sich etwa, als sie zu einem Neunjährigen, der länger in Obhut war, ein intensives Verhältnis aufbaute. „Als dieser in eine andere Einrichtung ging, war sie völlig überrumpelt“, sagt Erzieherin Sophia Everszumrode, die Oliveira bei ihrer Arbeit begleitet. „Und sehr traurig.“

Die Brasilianerin bringt mit ihrem südamerikanischen Temperament in vielen anderen Momenten Emotionen in die Wohngruppe. „Wir mussten uns schon daran gewöhnen, dass sie ihre Arbeitskollegen gern mal in den Arm nimmt – sie zeigt ihre Gefühle und das tut allen hier gut.“

Die Fußballerin in der Brasilianerin

Auch die Kinder profitieren davon. Gerade von ihrem Fußball-Talent. Natürlich kann sie als Brasilianerin gut kicken. Und das kommt besonders bei den Jungen in der Einrichtung gut an. Unzählige Stunden hat sie schon auf dem Bolzplatz verbracht. Und die Mitspieler nicht selten staunen lassen. „Es ist das erste Mal, dass wir eine FSJ´lerin aus dem Ausland bei uns haben“, sagt Everszumrode. „Mit ihrer lebhaften Art und ihrer Neugier bringt sie hier noch mal neue Perspektiven rein.“

Untergebracht ist sie im Priesterseminar in Münster. „Das ist schon etwas ungewöhnlich“, sagt Oliveira. „Aber ich bin da super aufgenommen worden.“ Vermittelt vom Verein lebt sie dort in einer Wohngruppe mit anderen FSJ´lern, die ein Orientierungsjahr absolvieren, wird in ihrer Arbeit begleitet und hat die Möglichkeiten am Bildungsprogramm des Hauses teilzunehmen. „Da ist es lockerer, als ich mir das vorher vorgestellt habe.“

Als Caspar durch Münster

Genauso schön sind die Erfahrungen, die sie in der Pfarrgemeinde St. Franziskus sammelt, wo der Verein „arco-iris“ beheimatet ist. Sie überlegt nur kurz und findet gleich ein Beispiel: „Ich war Caspar.“ Mit Krone und Umhang war sie als Sternsingerin unterwegs. „So etwas gibt es bei uns daheim gar nicht.“ Was ihr dabei gefallen hat? Keine Frage: „Die süßen kleinen Könige und die vielen Süßigkeiten.“

Ihr Handy bleibt bei allen Erlebnissen ihr wichtigster Begleiter. Nicht nur wegen der vielen Telefonate in die Heimat. „Ich vermisse meine Familie sehr.“ Sondern vor allem als Übersetzer. Wenn es trotz der vier wöchentlichen Deutscheinheiten an der Volkshochschule nicht klappt, tippt sie die Texte in einen Übersetzer. „Das gefällt auch den Kindern in der Wohngruppe“, sagt Oliveira. „Die helfen mir bei den einzelnen Wörtern.“ Entscheidend ist aber ohnehin ein anderes Verstehen, sagt Everszumrode: „Das ist die Sprache des Herzens – und die ist in Brasilien und Deutschland die gleiche.“

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