Hoher Metallpreis führt zu Grabräuberei

Mehr Diebstähle auf dem Friedhof: „Schlimmer als ein Einbruch zu Hause“

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Eine geklaute Kupfervase, vom Grab abmontierte Messing-Buchstaben oder ein entwendeter Engel aus Bronze: Diebstähle auf Friedhöfen mehren sich seit einiger Zeit. Die Angehörigen kommen nur schwer darüber hinweg.

Wer jemanden verloren hat, den er liebt, wird sich mit der Gestaltung der Grabstelle besondere Mühe geben. Lieblingsblumen pflanzen, einen schönen Grabstein aussuchen, eine Skulptur aufstellen.

Umso mehr schmerzt es, wenn die letzte Ruhestätte eines Angehörigen zum Ziel von Dieben wird. Wenn Kupferkreuze oder bronzene Laternen brachial herausgerissen und geklaut werden. Das hat auch Tobias Pehle erlebt: Ein körperhoher Engel aus Bronze, der seit dem 19. Jahrhundert auf der Grabstätte seiner Familie im nordrhein-westfälischen Iserlohn stand, wurde vor ein paar Jahren gestohlen. Einfach abtransportiert, mitten in der Nacht.

Schlimmer als ein Einbruch zu Hause

„Für mich war das eine Grabschändung“, sagt der 64-Jährige. Die Sache fasse ihn immer noch an, sogar „mehr als ein Einbruch einmal bei mir zu Hause“. Außerdem habe er ein Gefühl des Versagens: „Ich habe die letzte Ruhestätte meiner Eltern nicht beschützen können, obwohl ich wusste, wie wichtig sie ihnen war. Mein Vater ist nach dem Tod meiner Mutter jede Woche dorthin gepilgert.“

Pehle, der Geschäftsführer des Kuratoriums immaterielles Erbe Friedhofskultur ist, weiß, dass viele Friedhöfe in Deutschland immer wieder Opfer von solchen Diebstählen werden. Und die Fälle scheinen zuzunehmen. Ob in Dresden, Traunstein, München oder Duisburg: Bundesweit gibt es zahlreiche solcher Taten. Zentral erfasst werden sie nicht.

Diebe verkaufen Gegenstände teils direkt ins Ausland

Aktuell verzeichnet etwa das Polizeipräsidium München allein für Februar 2024 für den eigenen Zuständigkeitsbereich  „eine Vielzahl von Diebstählen“: Von 35 Grabanlagen auf Friedhöfen in Unter- und Oberschleißheim wurde Grabschmuck aus Bronze oder Kupfer entwendet. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 wurden für das gesamte Jahr 17 Fälle beim Polizeipräsidium München gemeldet, im Jahr 2022 waren es 26 Diebstähle.

Als Ursache für die Diebstähle sieht die Polizei die derzeitigen hohen Buntmetallpreise. Die Diebe verkaufen die gestohlenen Gegenstände an Recyclingunternehmen oder direkt ins Ausland. Oft stecken Banden dahinter – wie jüngst im bayrischen Traunstein, wo das Gericht vor zwei Wochen drei Männer zu Freiheitsstrafen verurteilte: Sie hatten durch ihre Diebeszüge einen Sachschaden von rund 100.000 Euro verursacht.

Schaden auch in emotionaler Hinsicht

Bestattungsexperte Alexander Helbach von der Initiative „Aeternitas“ in Königswinter bei Bonn kennt solche Diebestouren über Friedhofsgelände. „Wenn dort etwas gestohlen wird, schadet das nicht nur in finanzieller, sondern auch in emotionaler Hinsicht“, sagt er.  „Jemand hat sehr bewusst das Grab eines Verstorbenen gestaltet oder dort etwas abgelegt, um dem Verstorbenen zu gedenken.“

Besonders verwerflich sei es, wenn durch den Diebstahl auf dem Grab etwas kaputt gemacht werde. „Das ist tragisch und bitter“, so Helbach.

Neben den Profis gebe es zudem noch die anderen Räuber – die abgelegte Blumen mitgehen lassen oder Gießkannen, weil sie sie selbst gerade gut gebrauchen können. Oder die einfach mutwillig Dinge auf dem Friedhof zerstören. Yvonne Zimmerer vom Evangelischen Friedhofsverband Stadtmitte Berlin, zu dem mehr als 40 Friedhöfe gehören, beobachtet in jüngster Zeit zwar keine besondere Zunahme an Diebstählen. Allerdings „nimmt der Vandalismus zu, insbesondere Graffiti-Schmierereien an Friedhofsmauern, Beschädigungen an Brunnen oder Besucher-WCs“, sagt Zimmerer. Die Reparaturen seien sehr kostspielig und aufwendig.

Rat: Nichts Wertvolles auf Gräbern ablegen

Vermeidbar sei Vandalismus auf Friedhöfen oder Grabräuberei kaum, sagt Helbach. „Abends ist keiner mehr auf dem Friedhof.“ Überwachung mit Kameras sei aus Datenschutzgründen schwierig – und eine personelle Rund-um-die Uhr-Bewachung kaum zu finanzieren. Helbach rät Angehörigen, nichts Wertvolles auf Gräbern abzulegen oder etwa Buchstaben in Stein hauen zu lassen, „damit sie mir keiner stehlen kann“.

Pehle sieht dagegen auch die Friedhofsverwaltung in der Pflicht - auch wenn man sie für solche Diebstähle nicht haftbar machen könne. „Aber grundlegende Sicherheitspflichten hat eine Friedhofsverwaltung natürlich schon“, mahnt er. So müsse etwa untersagt werden, dass Lkw und Transporter ungehindert Zufahrt auf Friedhöfe haben dürfen – damit man den Abtransport von Diebesgut erschwert. Pehle kann sich zudem Videoüberwachungen von Zufahrten vorstellen, „zumindest abends und nachts“.

„Für alle Angehörigen ist das Grab ein sehr persönlicher Raum. Sozusagen das Wohnzimmer des Verstorbenen“, findet Pehle.  „Man möchte es ihm dort so schön wie möglich machen.“ Der Bronze-Engel vom Grab seiner Eltern ist nie wieder aufgetaucht.

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