Christen sollten eher eigene Verantwortung für die Schöpfung hinterfragen

KKV-Chef Ridders zum 1. Mai: Alltagspolitik Tarifparteien überlassen

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Der Bundesvorsitzende der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV), Josef Ridders aus Greven, plädiert vor dem Tag der Arbeit (1. Mai) dafür, als Christen die „Alltagspolitik“ den Tarifparteien zu überlassen. Als Teil der Kirche solle man sich vielmehr fragen, „was Gott von uns wollte, als er uns die ‚Verantwortung für die Schöpfung‘ übertragen hat“.

Der Bundesvorsitzende der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV), Josef Ridders, möchte sich zum Tag der Arbeit am 1. Mai nicht zu arbeitsmarktpolitischen Tagesfragen äußern, wie es der Diözesanvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), Wolfgang Kollek, gegenüber Kirche+Leben getan hatte. Ebenfalls von Kirche+Leben angefragt, äußert sich der KKV-Vorsitzende, der in Greven zu Hause ist, eher grundsätzlich und plädiert für ein Innehalten.

Ridders: „Der 1. Mai steht bevor und an kaum einem anderen Feiertag sind die Rollen wieder einmal so klar verteilt. Zwischen dem ‚bösen Unternehmer‘ und dem ‚armen Arbeitnehmer‘ gibt es kaum Platz für Grautöne und Schattierungen. Es mag verwegen sein, den ‚Tag der Arbeit‘ als ‚Tag der Lobbyisten‘ zu charakterisieren. Doch das mediale Getöse in der Auseinandersetzung um die ‚einzig wahre, faire und zukunftsweisende Meinung‘ ist an diesem Tag zu klar und einfach, als dass sich die Beteiligten diese Chance entgehen lassen würden“, äußert Ridders. Der 1. Mai sei vielfach – trotz aller Ernsthaftigkeit der Probleme und Herausforderungen – „eher vergleichbar mit einem ‚politischen Aschermittwoch‘ und die Stellungnahmen und Reden gleichen vielfach einer satirisch-ironisch zugespitzten Büttenrede“.

„Misst sich unsere Verantwortung am Plus auf dem Gehaltszettel?“

Dabei stünde es Ridders’ Ansicht nach gerade Christen gut zu Gesicht, sich selbst, die eigenen Werte und die eigene christliche Verantwortung kritisch zu hinterfragen. „Ist es wirklich so, dass sich unsere Verantwortung der Schöpfung und dem Nächsten gegenüber am Gewinn in der Unternehmensbilanz oder dem ausgehandelten Plus auf dem Lohn- und Gehaltszettel misst? Machen wir es uns als Christen nicht zu einfach, wenn wir uns in die Schubladen der Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerrollen zurückziehen und uns mit all den oftmals verständlichen Argumenten und Forderungen der jeweiligen Klientelpolitik anschließen? Sollten wir als Christen nicht vielmehr die ‚Alltagspolitik‘ den Tarifparteien überlassen und uns als Teil der Kirche fragen, was Gott von uns wollte, als er uns die ‚Verantwortung für die Schöpfung‘ übertragen hat?“ Man denke möglicherweise zu kurz, wenn man nur über Tagesfragen wie Tarifökonomie und Lohnpolitik, Mindestlohn und Streikrecht diskutiere.

Ridders sagt, auch ihm als KKV-Vorsitzendem „fiele es zweifelsohne leichter, aktuelle Probleme zu wälzen und in die eine oder andere Richtung mitzubrüllen“. Aber er fragt: „Werden wir damit einer verantwortungsbewussten katholischen Soziallehre wirklich gerecht, der wir uns als KKVerin und KKVer, als Christinnen und Christen verschrieben haben? Ist unser ‚Wachstumsfetischismus‘ – egal ob in Unternehmensbilanzen oder Lohn- und Gehaltsabrechnungen – wirklich christlich? Wenn wir von Nächstenliebe und Verantwortung für die Schöpfung reden, müssen wir uns dann nicht vielmehr der unbequemen Realität stellen, dass wir die Ressourcen der Erde hemmungslos ausschöpfen und auf Kosten der kommenden Generationen leben, um unsere eigenen Ansprüche in der Gegenwart zu befriedigen?“

Ridders will nicht „ins laute Horn der Lobbypolitik stoßen“

Der Vorsitzende fragt weiter: „Müssen wir nicht gerade als Christen fragen, wo wir aus der eigenen Verantwortung heraus die Grenzen des Wachstums setzen? Müssen wir uns nicht gerade als Christen die Frage stellen, ob bei den Diskussionen zum 1. Mai nicht darüber gesprochen werden muss, worauf wir künftig verzichten können und müssen, um die Schöpfung zu erhalten? Müssen wir uns nicht gerade als Christen fragen, ob wir nicht Vorbilder sein müssen, wenn es darum geht, Mensch und Schöpfung im Fokus zu behalten und nicht dem ‚schnöden Mammon‘ hinterherzulaufen?“

Ridder sagt, er wisse, „dass sowohl die Fragen als auch die zu erwartenden Antworten dieser Auseinandersetzung unbequem sind“. Auch für ihn als KKV-Vorsitzenden „wäre es viel einfacher, ins laute Horn der Lobbypolitik zu stoßen und plattitüdenhaft dafür oder dagegen zu sein“. Doch genau das will Ridders nicht.

All das solle nicht bedeuten, dass man zu wirtschaftspolitischen Tagesfragen keine Positionierung habe, sagte Ridders, und die Meinungen deckten sich mitunter auch durchaus mit denen der KAB. So betrachte auch der KKV sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverträgen als aus der Zeit gefallen und halte hohe Boni-Zahlungen an Bahn-Manager für „unmöglich“. Insgesamt schaue man aber eher mit einer „Draufsicht“ auf die Entwicklungen und überlasse die Details den Tarifpartnern, zumal viele KKV-Mitglieder selbst nicht mehr aktiv im Arbeitsleben stünden, sondern schon im Ruhestand seien.

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