Jens Joest zu den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten

Reflexartige Friedensappelle der Christen verkennen die Realität

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Der Aufruf zum Frieden fehlt in kaum einer katholischen Feiertagspredigt, treibt aber seltsame Blüten. Jens Joest staunt im Kommentar über eine Naivität, die den realistischen Blick auf die Lage in der Ukraine, im Nahen Osten und anderswo trübt.

Wunsch und Wirklichkeit – mit Blick auf Kriege als größte politische Katastrophe scheinen auch Christen die Maßstäbe zu verrutschen. Zwar hat Jesus seinen Anhängern aufgetragen, für den Frieden zu wirken. Das untersagt aber nicht den realistischen Blick.

Bei in Feiertagspredigten wiederkehrenden oder verbandlichen Friedensaufrufen scheint einige Naivität eingekehrt. Beispiel Ukraine: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagt, es erschrecke ihn, dass Deutschland sich „in kurzer Zeit auf die neuen Verhältnisse eingestellt“ habe, über „Waffenlieferungen, den Ausbau der Rüstungsindustrie und eine neue Kriegstüchtigkeit“ spreche.

Feindliche Atommacht an Europas Ostgrenze

Das erschreckt ihn ernsthaft? Mehr als zwei Jahre nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine? Trotz antiwestlicher Rhetorik des Kriegsherrn Wladimir Putin? Angesichts russischer Cyber-Attacken und anderer mehr oder weniger versteckter Angriffe? Sich auf die Realität einer feindlichen Atommacht direkt an Europas Ostgrenze einzustellen, ist das Mindeste, was der Staat auch für jene Bürger, für jene Christinnen und Christen tun muss, die den Frieden ersehnen.

Wer dies anerkennt, darf wie Bätzing nach Friedens-Ideen rufen. Muss aber akzeptieren, dass die öffentliche Debatte hilflos-wolkige Wünsche nach „dritten Wegen“ zu Recht ignoriert.

Viele im Nahen Osten wollen Israel vernichten

Beispiel Israel: Wortmeldungen ritualisiert mit der Verurteilung des Hamas-Terrors von Oktober zu beginnen, dann aber Israel zur Mäßigung aufzurufen oder in anderer Weise zu beschuldigen, greift nach wie vor zu kurz.

Natürlich ist es richtig, Israel an Völker- und Menschenrechte zu erinnern. Klar ist aber auch: Die Hamas, der Iran und andere Verirrte im Nahen Osten wollen den jüdischen Staat und seine Bevölkerung vollständig vernichten. Ihm keine Waffen zu liefern, wie Pax Christi und andere Verbände fordern, weil Waffen in Israels Kampf gegen die Hamas womöglich Menschenrechte der Zivilisten in Gaza verletzen könnten, wäre unterlassene Hilfeleistung.

Hamas könnte für ein Ende der Angriffe sorgen

Bei allem Leid der Zivilisten: Es sind die Terroristen der Hamas, die für ein sofortiges Ende der aktuellen Angriffe auf Gaza sorgen könnten – mit der Freilassung aller ihrer Geiseln.

Christinnen und Christen heute sind Zeitgenossen einer unfriedlichen Welt. Der Wunsch nach Frieden darf ihren Blick für die Wirklichkeit nicht verstellen.

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