Redakteur Martin Schmitz über einen schockierenden Facebook-Kommentar

Schutz von Missbrauchstätern muss aufhören – nicht nur bei Klerikern

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Ein erschreckender Facebook-Kommentar hat bei unserem Redakteur Martin Schmitz die Hoffnungen auf ein besser werdendes neues Jahr arg getrübt. Bei vielen stehe nach wie vor der Schutz der Missbrauchstäter vor dem Wohl der Betroffenen. Und zwar nicht nur bei Geistlichen.

Große Hoffnungen liegen auf dem neuen Jahr: Das Virus soll besiegt werden, der Synodale Weg soll weitergehen und selbst der Erzbischof von Köln soll spätestens im März, wenn das neue Missbrauchsgutachten vorliegt, in irgendeiner Art reagieren müssen.

Und dann das: An meinem ersten Arbeitstag im neuen Jahr die Nachricht, dass gegen einen brasilianischen Erzbischof wegen Missbrauchsvorwürfen ermittelt wird. Anderes Land, gleiche Machtstrukturen, gleiche Verbrechen. Vier ehemalige Seminaristen werfen Erzbischof Alberto Taveira Correa vor, er habe sie zwischen 2010 und 2014 missbraucht. Die Männer waren damals zwischen 15 und 20 Jahre alt.

 

Ein schockierender Facebook-Post

 

Die Analyse der MHG-Studie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz von 2018 wird einmal mehr bestätigt: Der Missbrauch durch Geistliche in der katholischen Kirche ist kein Problem von Einzelnen. Er ist ein Problem, das durch die Struktur der Institution Kirche zumindest begünstigt wird.

Was mir aber an diesem Tag mit Schrecken einmal mehr deutlich wurde: Es ist kein alleiniges Problem des Klerus – wenngleich ein Problem des Klerikalismus. Auf unseren Facebook-Post zum Fall in Brasilien kommentierte eine Frau: „Ich dachte eigentlich, dass Seminaristen erwachsene Menschen sind und sich nicht missbrauchen lassen, wenn sie das nicht wollen.“

 

Unvereinbare Ziele

 

Unsere User haben die Frau zum Glück heftig für ihre Aussage kritisiert. Daraufhin hat sie ihren Post gelöscht. Damit ist diese erschreckende Meinung, diese beschämende Ahnungslosigkeit, diese verachtende Ignoranz aber nicht aus der Welt. Und ich befürchte, dass diese Frau mit einer solchen Meinung nicht allein ist. Bei vielen steht nach wie vor der Schutz der Täter vor dem Wohl der Betroffenen. Und zwar nicht nur bei Geistlichen.

Im Facebook-Profil der Kommentatorin ist zu lesen, dass sie Bundesvorsitzende einer kleinen, konservativen geistlichen Gemeinschaft ist, die sich unter anderem folgenden Auftrag gegeben hat: „Dem Papst und den ihm gehorsamen Bischöfen und Priestern in Treue folgen.“ Leider ist das offenbar nicht immer vereinbar mit einem weiteren Vorsatz der Gemeinschaft. Nämlich „unter Einsatz all unserer Fähigkeiten zur Freude und zum Wohl der Mitmenschen beitragen“.

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