Filmproduzent Martin Moszkowicz zu Gast bei Ausstellung im Jüdischen Museum Westfalen

Vater überlebte Auschwitz - Constantin-Film-Chef spricht über Familie

Anzeige

Sein Vater kam mit 17 Jahren 1943 in das KZ Auschwitz und überlebte den letzten Todesmarsch im Januar 1945. Seine Mutter stammte aus einer österreichischen Familie, in der ihr Vater ein ranghoher SS-Offizier war. Martin Moszkowicz, Regisseur und Chef von Constantin-Film („Fack ju Göhte“, „Der Schuh des Manitu“) hat sich mit der Familiengeschichte und dem Antisemitismus befasst und ein Leben lang daran gearbeitet, das zu verstehen. Im Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten, das die Lebensgeschichte seines aus Ahlen stammenden Vaters Imo Moszkowicz (1925-2011) nachgezeichnet hat, wird der 63-jährige Filmemacher über seine komplexe Familiengeschichte sprechen. Im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“ erklärt er, wie er die Geschichte aufgearbeitet hat.

Herr Moszkowicz, im Jüdischen Museum Westfalen wird die Lebensgeschichte Ihres Vaters, Imo Moszkowicz, im Rahmen der Dauerausstellung dargestellt. Nun kommen Sie als Sohn nach Dorsten und sprechen über die Familiengeschichte. Wie sehr berührt Sie dieser Gesprächsabend?

Ich finde es sehr wichtig, dass man die Erinnerung an das jüdische Leben in Deutschland und an die furchtbaren Ereignisse während des Dritten Reiches wachhält – vor allem, um daraus zu lernen für die Gegenwart und die Zukunft.

Ihr Vater zählt zu den wenigen Überlebenden des Holocaust in Ahlen. In der Nachkriegszeit heiratete er eine Frau, Ihre Mutter, die aus einer bekennenden Nazi-Familie stammte. Wie sehr prägte diese Herkunft das Familienleben?

Die Geschichte unserer Familie war ein bestimmender Teil unseres Familienlebens. Glücklicherweise haben sowohl unser Vater wie auch unsere Mutter mit meiner Schwester und mir von klein auf darüber gesprochen.

Wie haben Sie als junger Mann Themen des Holocaust und der NS-Vergangenheit wahrgenommen, nachdem in den 1970er und 1980er Jahren überhaupt erst eine Sprachfähigkeit einsetzen konnte?

In unserer Familie wurde immer darüber gesprochen. Ich war an der Geschichte schon sehr früh sehr interessiert. Ich habe Antisemitismus und das Aufkommen der neuen Rechten intensiv studiert und diskutiert. Meine Schwester gibt bis heute Holocaust-Awareness-Seminare an Schulen.

Sie haben sich mit Ihrer Familiengeschichte beschäftigt. Was waren Ihre Entdeckungen – in positiver wie negativer Hinsicht?

Die Geschichte beschäftigt mich bis heute, schon allein weil ich immer wieder von Menschen angesprochen werde, deren Vorfahren möglicherweise mit dem meiner Eltern oder Großeltern zu tun hatten oder vermeintlich verwandtschaftlich verbunden waren. In Bezug auf Armin Dadieu, den Vater meiner Mutter, hat mich am meisten schockiert, dass ein hochgebildeter Professor und Wissenschaftler sich so unglaublich dem Faschismus hingegeben hatte. Also, dass rechtes Gedankengut gerade auch im gutsituierten Bildungsbürgertum möglich ist.

In einem Beitrag über Sie schrieb „Der Spiegel“ vor zwei Jahren den Satz: „Dass er (Martin Moszkowicz) überhaupt geboren wurde, grenzt an ein Wunder.“ Was halten Sie von solchen Lebensanalysen?

Ich wollte damit sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass meine Eltern sich getroffen haben, unvorstellbar gering war. Es ist im Endeffekt eine Frage der eigenen Religiosität, ob man das als Vorsehung oder unglaublichen Zufall bezeichnen will. Ich selbst habe mir dazu – ehrlich gesagt – noch keine Meinung gebildet.

Das Wort von der „Gnade von der späten Geburt“ ist zu einem geflügelten Wort geworden. Wie empfinden Sie eine solche Redewendung?

Ich halte es mit dem Zitat: Wenn ein Mitglied meiner Familie ein Verbrechen begangen hat, kann ich sagen, dass ich nicht schuld bin. Ich kann aber nicht sagen, dass es mich nichts angeht. Wir, die Nachgeborenen, sollten froh sein, dass wir nicht in so grauenhafte Zeiten geboren wurden, und wir sollten alles daran setzen, dass es nie mehr dazu kommt.

Haben Sie einen Tipp, wie Kinder mit schwieriger Familiengeschichte ein Leben in die Hand nehmen können, auch wenn Leid und Schuld, Glück und Schicksal so ein Menschenleben prägen können?

Mit Achtsamkeit, Aufmerksamkeit und Engagement.

Zur Person:
Martin Moszkowicz befasst sich seit seiner Jugend mit seiner Familiengeschichte. Sein Vater, Imo Moszkowicz (1925-2011), der Sohn armer osteuropäischer Juden, die sich im westfälischen Ahlen niedergelassen hatten, wurde nach Auschwitz deportiert und überlebte als einziges von sieben Geschwistern den Holocaust. Nach dem Krieg prägte er als Schauspieler und Regisseur das deutsche und europäische Theater-, Film- und Fernsehschaffen maßgeblich. Martins Mutter war Renate Dadieu (1927-2021), Tochter eines hohen österreichischen SS-Offiziers, der auch nach dem Krieg überzeugter Nazi blieb. Martin Moszkowicz bezeichnete daher in der „Jüdischen Allgemeinen“ die Geschichte seiner Eltern als „auch eine Geschichte Deutschlands“. In einem Gespräch im Jüdischen Museum Westfalen am 24. März 2022 wird er sich dazu äußern, wie er diese Geschichte erforscht hat, wie seine Familie damit umgegangen ist und wie sie ihn geprägt hat.
Martin Moszkowicz, 1958 geboren, wuchs in Ottobrunn auf. Er ist seit 2014 Vorstandsvorsitzender der Constantin Film AG. Die Geschichte seines aus dem westfälischen Ahlen stammenden Vaters Imo Moszkowicz wird in der Dauerausstellung des Jüdischen Museums Westfalen erzählt.

Anzeige