Kerstin Stegemann meint: Zweifeln ist okay, verzweifeln nicht

Auslegung der Lesungen vom 19. Sonntag im Jahreskreis (A)

Stürmisch geht es in den Lesungen dieses Sonntags zu. Und immer steht die Frage im Zentrum: Was traust du Gott zu? Kerstin Stegemann, Vorsitzende des Diözesankomitees der Katholiken im Bistum Münster, über Zweifel, Verzweifeln und Mut.

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Stürmisch geht es in den Lesungen dieses Sonntags zu. Und immer steht die Frage im Zentrum: Was traust du Gott zu? Wie stark vertraust du ihm? Kerstin Stegemann, Vorsitzende des Diözesankomitees der Katholiken im Bistum Münster, über Zweifel, Verzweifeln und den Mut, einfach zu glauben.

Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“, fragt Jesus den Petrus, als dieser über das Wasser auf ihn zugehen will und vor dem heftigen Wind Angst bekommt.

Den meisten von uns wäre es wohl genauso gegangen wie Petrus: Mitten in der Nacht, bei stürmischer See, kommt Jesus über das Wasser auf seine Jünger zu und fordert Petrus auf, ihm entgegen zu gehen. Dazu gehören schon eine ordentliche Portion Mut und das absolute Vertrauen. Zweifel sind da fehl am Platz.

 

Schaffe ich das wirklich?

 

Die Lesungen vom 19. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Jeder und jede von uns kennt viele Situationen im Leben, wo der Mut gefehlt hat – das ist nur menschlich. Vielleicht bei einer schwierigen Entscheidung oder bei einer neuen Herausforderung. Da droht auf einmal der Boden unter den Füßen zu verschwinden, und es scheint, als gäbe es keinen Halt mehr. Vielleicht geschieht das sogar dann, wenn man sich ganz bewusst für etwas entschieden hat.

Die Angst vor dem Scheitern scheint auf einmal zu groß. Selbst wenn Menschen um einen herum sind, die einem Mut zusprechen, bleibt doch die Unsicherheit. Es überwiegen die Zweifel, die Skepsis, ob nicht doch etwas passiert, ob man es auch wirklich schafft. In solchen Momenten fehlt das Vertrauen – auch in uns selbst.

 

Jesus hat kein Verständnis - erstmal

 

Wenn man bedenkt, dass wohl viele so reagiert hätten wie Petrus, finde ich es auf den ersten Blick umso erstaunlicher, dass Jesus ziemlich harsch auf die Angst des Petrus reagiert. Jesus weiß doch um uns und unsere Zweifel. Aber er zeigt erst einmal kein Verständnis für die Unsicherheit des Petrus. Vielmehr wirft er ihm vor, gezweifelt zu haben. Aber gleichzeitig fordert er ihn mit seiner Frage auf, sich völlig auf ihn einzulassen, alle Zweifel über Bord zu werfen und ganz und gar auf sein Wort und seine Zusage zu vertrauen.

Jesus sagt uns zu, dass er an unserer Seite ist und uns nicht im Stich lässt, egal wie schwer die Situation auch sein mag. Auch wenn wir manchmal nicht auf uns selbst vertrauen, so dürfen wir aber auf ihn vertrauen. Egal, was kommt, er bleibt bei uns.

 

Zweifel sind okay

 

Elija in der ersten Lesung geht es da zunächst etwas ähnlich wie Petrus. Erstmal sucht er Schutz in der Höhle. Aber dann, bestärkt durch Gottes Wort, wird er mutig. Er sieht und vertraut und nimmt all seinen Mut zusammen. Er tritt aus der Höhle hervor und stellt sich Sturm, Erdbeben und Feuer entgegen. Denn er weiß, er ist dabei nicht allein.

Zweifel sind im Leben völlig okay und etwas ganz Normales. Jesus verspricht uns, dass wir dabei nicht verzweifeln müssen. Er sagt uns seine Gegenwart zu und schenkt uns Ermutigung. Das macht auf den ersten Blick die Entscheidung als solche vielleicht nicht einfacher. Aber ich kann darauf vertrauen, dass Jesus mich lenkt, dass er an meiner Seite ist und ich nicht allein bin. Egal was ich tue, wie ich mich entscheide, ich kann mich auf ihn verlassen. Das ist seine Zusage: Fürchtet euch nicht, auf mich könnt ihr vertrauen!

 

Glaube ich, dass Gott in allem ist?

 

Die Autorin
Kerstin Stegemann
Kerstin Stegemann ist die Vorsitzende des Diözesankomitees der Katholiken im Bistum Münster.

Was wir dafür tun müssen, scheint auf den ersten Blick recht simpel: Wir müssen unserem Glauben Vertrauen schenken, uns ganz und gar auf ihn einlassen. So ganz einfach ist das aber gar nicht. Denn dieses „Ganz und gar auf ihn einlassen“ bezieht sich auch auf die Frage, wie wir unser Leben gestalten. Stellen wir all unser Handeln ganz in die Botschaft Jesu? Lassen wir uns in unserem Tun bedingungslos von ihm leiten? Steht wirklich das, was Jesus uns aufgetragen hat, im Vordergrund – und nicht vielmehr Profit und Selbstverwirklichung?

Das ist für mich der eigentliche Knackpunkt in dieser Lesung: Bin ich wirklich bereit zu glauben, dass in allem auf der Welt Gott zu sehen ist? Wenn ich das glauben kann, ergibt sich vieles andere von selbst, dann bin ich in der Lage, mich ganz auf Jesus auszurichten.

 

Ich will ja, aber ...

 

Oft finde ich es nicht leicht, diese Frage klar zu beantworten. Vieles im Leben lenkt uns ab oder lässt andere Bedürfnisse vordergründiger erscheinen. Ein voller Terminkalender und das Miteinander im Alltag machen es manchmal schwer, sich dabei wieder an die Zusage Jesu zu erinnern und lenken mich vom Wesentlichen ab. Da geht es mir dann oft wie Paulus. Grundsätzlich will ich schon, aber der letzte Zweifel bleibt bestehen, zu groß ist die Unsicherheit.

Wenn es uns aber gelingt, uns darauf einzulassen, auf die Zusage Jesu, dann wird das unser Leben bereichern und wir trauen uns, dass wir uns dem stellen, was im ers­ten Moment vielleicht unmöglich scheint. Es liegt an uns, wir müssen nur vertrauen – auf uns und auf Gott.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 19. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

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