Pfadfinder-Mitglieder loten Möglichkeiten vor Bundesversammlung aus

Kohlberger-Veto der Bischöfe: DPSG zwischen Abspaltung und Zuversicht

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Eigentlich sollte Viola Kohlberger am Himmelfahrtswochenende auf der Bundesversammlung der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) zur neuen Bundeskuratin gewählt werden. Doch die Bischöfe erteilten keine Zulassung zur Kandidatur. Die DPSG-Mitglieder suchen nun nach dem richtigen Weg. Kirche+Leben blickt auf die Stimmung und auf Anträge zwischen Abspaltungs-Fantasien, Mitgliederentscheid und dem Ringen um Einheit.

Der Aufschrei war groß: Vor rund zwei Wochen teilte die DPSG, einer der größten katholischen Jugendverbände, mit, dass die Zulassung zur Kandidatur Viola Kohlbergers zur Bundeskuratin, der Geistlichen Bundesleitung, nicht die erforderliche Mehrheit im Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz fand. Zahlreiche emotionale Solidaritätsbekundungen aus den Pfadfinder-Gruppen und aus Jugend- und Erwachsenenverbänden erreichten die geschasste Viola Kohlberger in den sozialen Netzwerken.

Doch die Ansage der DPSG-Bundesleitung kam prompt: Keine voreiligen Schlüsse ziehen. Das weitere Vorgehen solle auf der Bundesversammlung besprochen werden. Diese beginnt am 9. Mai. Und es könnte hoch hergehen. 

Das zeigt sich an zwei Initiativanträgen, die kurz vor der Versammlung veröffentlicht wurden. Sie müssen erst von den Delegierten auf die Tagesordnung aufgenommen werden. Ob und wie sie dann verabschiedet werden, ist unklar. Trotzdem geben sie einen Einblick, welche Gedanken sich die katholischen Pfadfinder nach dem Votum der Bischöfe machen. 

Antrag 1: Mitgliederentscheid

„Befürwortest du die Besetzung des Bundeskurat*innenamtes durch Viola Kohlberger, im Zweifel auch ohne kirchliche Beauftragung?“- ein Antrag zielt darauf ab, einen Mitgliederentscheid zu genau dieser Frage innerhalb der DPSG auszurichten. Der Antrag wurde von einem Stamm aus Hamburg-Rahlstedt verfasst. 

Die Begründung wird direkt mitgeliefert: Man fühle sich von oben herab beherrscht. „Die Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz sind von uns nicht gewählt und deshalb keine demokratische Vertretung.“ Ein Antrag, der sehr deutlich sagt, was er von den Bischöfen und der Struktur Kirche hält. 

Stärkere strukturelle Abgrenzung?

Die Forderung, sich stärker von den Bischöfen, von der Struktur der katholischen Kirche zu distanzieren, vertrete eine Fraktion innerhalb der DPSG, so Andreas Naumann-Hinz. Er ist Mitglied im Diözesanvorstand der DPSG in Münster und zugleich einer der rund 80 stimmberechtigten Delegierten auf der Bundesversammlung. Sicherlich, so Naumann-Hinz, sei diese Fraktion aber nicht in der Mehrheit. 

Eine weitere Seite, weniger drastisch, dennoch kritisch gegenüber des Systems Kirche, formulierte einen zweiten Antrag. Sechs Diözesanvorsitzende, zugleich auch Delegierte, wollen einen Brief an die deutschen Bischöfe schreiben. 

Antrag 2: Brief an die Bischöfe

Was wollten die Bischöfe mit ihrem Veto erreichen? Welche Qualifikationen fehlen Viola Kohlberger, die bereits seit Jahren Diözesankuratin in Augsburg ist? Die Pfadfinder haben viele Fragen. Deshalb wollen die sechs Antragsteller in ihrem Brief-Entwurf die Bischöfe nochmals dazu auffordern, eine Begründung für ihre Ablehnung zu liefern. Denn: Eine offizielle Mitteilung der Bischöfe liegt laut DPSG-Bundesverband auf Anfrage von Kirche+Leben nun vor, eine Begründung fehle aber weiterhin.

„Die Art unserer Beziehung zur Kirche und unsere Rolle in der Kirche steht grundlegend in Frage“, heißt es weiter. Mit dem Brief wolle man nochmal deutlich die Irritationen, den Ärger der vielen Pfadfinder unterstreichen, so Maximilian Strozyk, Diözesankurat der DPSG Essen, einer der Mitinitiatoren des zweiten Antrages gegenüber Kirche+Leben.

Weitere Idee: Stelle selbst finanzieren

Mit dem Ärger geht einher, dass auch darüber diskutiert wird, ob man einen Bundeskuraten aus eigenen Haushaltsmitteln finanzieren könne. Eine kirchliche Beauftragung durch die Bischöfe würde dann fehlen. Grundsätzlich eine denkbare Möglichkeit, so Strozyk. „Das Geld könnte man bestimmt zusammenbekommen.“ Das hält auch sein Kollege Andreas Naumann-Hinz aus dem Bistum Münster für möglich. Beispielsweise durch die Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen. Schließlich hat die DPSG nach eigenen Angaben 82.500 Mitglieder. Es müsse nur an anderen Ecken dafür auch wieder gespart werden.

Und Naumann-Hinz fügt ein weiteres großes Aber an: Wenn man tatsächlich so vorgehe, wage man den Bruch mit den Bischöfen. In der Konsequenz könnten dann Finanzmittel für die DPSG in den Bistümern gestrichen werden. Je nachdem, wie kritisch es die Bischöfe mit ihrem Ortverband hielten. Und ohne die Zuschüsse in den Bistümern käme die DPSG nicht aus. 

Das sagt die Bundesleitung zu den Ideen

Die Bundesleitung der DPSG stellt auf Anfrage von Kirche+Leben klar: „In den Verfahrensordnungen der Bischofskonferenz, die den Prozess beschreiben, auf den in unserer Satzung verwiesen wird, ist klar geregelt, dass es für eine Wahl – auch für eine Wiederwahl – eine vorherige Bestätigung der kirchlichen Beauftragung braucht. Diese Bestätigung kann aktuell nur der Ständige Rat erteilen.“ Und weiter: „Daher ist die Frage nach der Finanzierbarkeit nur eine theoretische, an der eine Besetzung aber nicht scheitern würde.“ 

Zu welchem Schluss die Bundesversammlung am Ende des Wochenendes kommen wird, hängt laut Münsters Diözesankuraten Andreas Naumann-Hinz auch davon ab, wie sich der Kontaktbischof Michael Gerber auf der Versammlung bei einer Aussprache schlägt. „Er hat keine leichte Aufgabe. Eigentlich haben wir mit ihm als Kontaktbischof ein gutes Verhältnis. Aber: Die Abstimmung der Bischöfe war geheim, zu den Gründen kann Herr Gerber nichts sagen.“ Und dann treffe er auf Pfadfinder, die Antworten zu genau diesen Themen erwarteten. „Das wird alles nicht einfach“, so Naumann-Hinz.

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