Porträts zur Diskussion um Priesterinnen in der katholischen Kirche

Berufene Frauen – Margarete Kohlmann aus Münster

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Viel wird zurzeit darüber gesprochen, ob Frauen auch Diakoninnen und Priesterinnen werden können. Wenig ist von den Frauen selber zu lesen, die sich berufen fühlen - zu Priesterlichem, zu Priesterinnen, auch wenn das lehramtlich weiterhin ausgeschlossen wird. "Kirche-und-Leben.de" stellt einige Frauen vor. Zum Beispiel Margarete Kohlmann aus Münster.

Margarete Kohlmann aus Münster fühlt sich „zum priesterlichen und diakonischen Handeln in der Kirche“ berufen. Mit den Jahren hat sich ihre Berufung verändert, geklärt und erweitert. Priesterin wollte sie aber nie werden. „Zu keinem Zeitpunkt habe ich mich von einem Priestertum angezogen gefühlt, wie es das heutige Amts-, Sakramenten- und Weihe-Verständnis und die Lebensform vorgeben“, betont sie.

71 Jahre alt ist sie jetzt, seit 50 Jahren verheiratet, zwei erwachsene Kinder. Lange arbeitete sie als Lehrerin an einer katholischen Schule im Münsterland. Sozialwissenschaften, Politik und Sport waren ihre Fächer. Sie wurde Beratungslehrerin. Mit 55 Jahren setzte sie noch einen Master in Supervision darauf. Theologie wollte sie aber nicht studieren, obgleich ihre Familie sie gern als Religionslehrerin gesehen hätte. „Aus Trotz“, sagt sie. Verantwortlich dafür waren nicht zuletzt ihre fünf Großonkel.

 

„Margarete betet jetzt“

 

Die Oheime des Vaters waren Ordenspriester und zwar Redemptoristen. Alltäglich gingen sie in der Großfamilie ein und aus. Als „nicht stimmig“ nahm bereits die Neunjährige „das Auftreten dieser Männer“ wahr. Unstimmig fand sie die Aura „ihrer Besonderheit, ihrer Heiligkeit und das, was sie wie selbstverständlich in Anspruch nahmen“.

Bis heute klingen ihr die Worte am Tag ihrer Erstkommunion im Ohr: Die Mutter hatte sie aufgefordert, das Tischgebet an der Festtafel zu sprechen. Da preschte ein Großonkel vor, machte sein Kreuzzeichen, tönte „Wir wollen es kurz machen“ und griff beherzt zur Fleischgabel. Damit endete die Szene allerdings nicht. „Margarete betet jetzt“, sagte die Mutter und nahm dem Priester die Gabel aus der Hand.

 

„Ich war Zierrat“

 

Bei dem silbernen Priesterjubiläen eines Großonkels durfte das „kleine, nette Mädchen mit den blonden Zöpfen“ das Kränzchen auf dem Samtkissen tragen. „Und weil ich gut auswendig lernen konnte, die Gedichte und Glückwünsche vortragen.“ Sie spürte früh: „Ich war Zierrat.“ Ihr großer Bruder galt derweil als möglicher Priesteramts-Kandidat.

Starke Frauen wie die Mutter und ihre Lehrerinnen haben Kohlmanns Glaubensleben geprägt. Sie erlebte sie als „zugewandt, ehrlich, mutig, auf der Seite der Schwachen“. Auf dem Katholikentag in Essen 1968 entdeckte sie in Leonardo Boff eine andere Art von Priester. Der kritische Kopf und Befreiungstheologe bestätigte ihre Glaubensvorstellungen, jenen beizustehen, die es schwer haben. „Das ist für mich priesterliches und diakonisches Handeln.“

 

„Das ist dein Weg!“

 

Wenige Tage nach ihrer Pensionierung 2012 hat Kohlmann ein Berufungserlebnis. Voller Sorge darüber, wie es künftig weitergehen kann, fällt ihr ein Beitrag in „Kirche+Leben“ in die Hände. Der Artikel handelt über eine neue Ausbildung zur Bibelerzählerin im sauerländischen Kloster Bestwig. „Da war eine Stimme in mir: ‚Das ist dein Weg!‘“

Doch zuvor verschafft sie sich die theologischen Grundlagen, die sie wegen der fünf Großonkel trotzig verschmäht hatte. Sie kauft sich ein "Te Deum", ein Buch mit den Tagzeitengebeten, und lebt seitdem keinen Tag ohne das Stundengebet. Sie lässt sich zur Bibelerzählerin ausbilden, nimmt am Würzburger Theologie-Fernkurs teil. Seit Jahren gestaltet sie im Team die wöchentlichen Zehn-Minuten-Andachten am Kirchort St. Margareta, der zur Mauritz-Pfarrei gehört.

 

„Das ist priesterliches Handeln für mich“

 

2015/16 lässt sie sich mit 16 Männern und Frauen vom Bistum Münster zur Leiterin von „Wortgottesfeiern an Werktagen“ ausbilden. Sechs Frauen kommen aus ihrer Pfarrei. Der Leitende Pfarrer ist später der Einzige, der sie im Sonntagsgottesdienst öffentlich vor der Gemeinde beauftragt. Als Zeichen ihrer Berufung tragen sie Mantelalbe und Skapulierkragen. Die „Wortgottesfeiern“ im Seniorenbereich organisieren die Frauen selbstständig. „Das ist priesterliches Handeln für mich“, sagt Kohlmann,

Dass Frauen und Männer ohne Weihe auf Augenhöhe mit dem Zelebranten die Sonntagsliturgie mitgestalten, ist an ihrem Kirchort Brauch. Sie weiß aber auch, dass es andernorts anders zugeht. „Dass es keine Handhabe und kein Recht gibt, wenn der Bischof oder der Pfarrer sie uns nicht einräumen. Schon ein Priesterwechsel kann alles ins Wanken bringen.“

 

„Berufung kommt nicht von den Amtsträgern“

 

„Ich will nicht geweiht werden. Eine Berufung ist nicht von der Weihe abhängig.“ Kohlmann sagt aber auch: „Es ist eine Menschenrechtsverletzung und theologisch höchst umstritten, jemanden wegen seines Geschlechts von der Weihe auszuschließen. Denn Berufung kommt von Gott und nicht von den Amtsträgern.“

Neue Klerikerinnen nach traditionellem Muster brauche es aber auch nicht. Kohlmann wünscht sich eine an Charismen orientierte, menschenfreundliche Kirche. Deswegen engagiert sie sich in der Reformbewegung „Maria 2.0“. „Grundsätzliches muss sich ändern, wenn die Glaubensverkündigung in der Zukunft noch gelingen soll“, sagt sie.

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