Themenwoche „Der Schatz der Alten“ (3): Seit 70 Jahren Lüdinghauser Franziskanerin

Die Glücksformel von Schwester Clementine: Arbeit, Gehorsam, Gebet

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Was nach Belastung, Unfreiheit und Monotonie klingt, ist für Schwester Clementine genau das Gegenteil. Die 92-Jährige sagt, dass die viele Arbeit, der Gehorsam und das regelmäßige Gebet sie glücklich gemacht hat.

Sie ist und bleibt „glücklich und zufrieden“, sagt Schwester Clementine. Wenn sie das sagt, unterstreicht sie es immer mit einem kräftigen Klopfen auf den Holztisch im Besprechungsraum des Mutterhauses der Lüdinghauser Franziskanerinnen. Es ist ein Gefühl, das sie mehr als 70 Jahre nicht verloren hat, seitdem sie mit 21 Jahren an die Pforte der Ordensgemeinschaft klopfte. „Damals riss ich die Arme hoch“, sagt die 92-Jährige. „Ich war voller Freude – ich wollte bleiben.“

Wenngleich ihre Mutter ihr das noch nicht abnahm. „Ich gebe dir zwei Wochen, dann kommst du zurück auf unseren Bauernhof“, sagte sie ihrer Tochter. Und die gibt zu, dass es zu Beginn durchaus Momente gab, in denen sie damit liebäugelte. „Blätter haken im Klostergarten, das einfache Tongeschirr beim Essen, die Schlafsäle mit den vielen Betten…“ Doch sie blieb. Nicht nur zwei Wochen, sondern ihr restliches Leben.

Entspannt aufstehen und einschlafen

Was aber hat sie in dieser Zeit so glücklich gemacht? Drei Dinge nennt Schwester Clementine immer wieder in dem niederrheinischen Dialekt ihres Geburtsortes Geldern-Kapellen, wo sie auch zur Schule ging und später dem Orden beitrat: „Arbeit, Gehorsam, Gebet.“ Es ist für sie wie eine Wunschformel für innere Ruhe und Zufriedenheit, sagt sie. „Sie hat mich morgens entspannt aufstehen und abends erfüllt ins Bett gehen lassen.“

Arbeit als Glücksfaktor – für die junge Frau, die zur Krankenschwester ausgebildet wurde, um von morgens halb sechs bis abends um neun Uhr im Einsatz zu sein, passte das immer zusammen. „Für ein Bauernkind wie mich war das herrlich“, sagt sie. „Wir sind ja gewohnt zu arbeiten.“ In den ersten Jahren fuhr sie mit dem Rad zu den Patienten, dann bekam sie ein Moped, später ein Auto. Sie war ständig unterwegs, auch in Bereitschaft, ohne durchatmen zu können – und wenn es doch mal eine Mittagspause gab, dann setzte sie sich hin und nähte Kleidung für bedürftige Familien.

Begegnungen wiegen Belastung auf

Themenwoche: Wie uns unsere alten Menschen bereichern können
Möglichst lange leben wollen alle – alt sein eher weniger. Und doch sind alte Menschen ein Schatz – wegen ihrer Lebenserfahrung, wegen ihrer Treue in unseren Gemeinden, wegen ihres Glaubensvorbilds. In einer Themenwoche stellen wir vier Menschen vor und zeigen, wie sie das kirchliche Leben und jede und jeden Einzelnen bereichern. Für Folge 3 sprachen wir mit der Lüdinghauser Franziskanerin Schwester Clementine.

Die Begegnungen mit den Menschen waren es, die ihr dabei besondere Glücks-Momente brachten. „Ich war für sie oft alles – Helfer, gute Seele, Kontakt nach außen…“ Das wog jede Anstrengung auf, sagt Schwester Clementine. 

Und das tat es auch noch, als sie nicht mehr als Krankenschwester im Einsatz war. Sie fand immer neue Aufgaben. Etwa in der Pflege der älteren Mitschwestern: „Wenn ich morgens zu den Laudes kam, hatte ich schon einige von ihnen gewaschen und versorgt.“ Auch heute noch strickt sie für wohltätige Zwecke. Mehr Wolle braucht sie dafür aber nicht mehr: „Was ich in meinem Zimmer habe, reicht bis zum Ende meines Lebens.“

Gebet als großes Geschenk

Nicht weniger überraschend ist ihr zweiter Glücksfaktor „Gehorsam“. Das klingt nach Bevormundung, nach Einschränkung, nach Unfreiheit. Schwester Clementine erlebte genau das Gegenteil. „Gehorsam hat etwas mit Vertrauen zu tun“, sagt sie. „Ich kann mich auf jemanden verlassen, ich muss nicht jede Entscheidung selbst treffen.“ Sie sieht dabei nicht allein das Vertrauen zur Ordensleitung, sondern vor allem auch in die Gemeinschaft und zu Gott. „Wenn man sich darauf einlässt, Dinge in andere Hände zu geben, erlebt man eine große Freiheit.“

Das Gebet beschreibt sie als wohl größtes Geschenk in ihrem Leben. Das war es von Beginn ihres Ordenslebens an. Feste Zeiten, feste Riten, feste Formeln – „Platz für das Gespräch mit Gott war immer“. Wenn sie abends von der Arbeit ins Kloster kam, ging es erst in die Kirchenbank und danach erst ins Bett. Eine Selbstverständlichkeit, die ihr jetzt im hohen Alter besonders ans Herz gewachsen ist. „Es gibt doch nichts Schöneres, als für die Menschen und die Sorgen in der Welt zu beten.“ Oft findet sie Anliegen in den aktuellen Nachrichten. Aber auch in Gesprächen und Briefen. „Tante Etha“ etwa schrieb ihre kleine Nichte oft und meinte sie mit ihrem bürgerlichen Namen „Margarethe“: „Bete doch bitte für mich…“

Fröhlich blickt sie in Zukunft

Und so sind für Schwester Clementine aus drei heute eher unpopulären Lebensinhalten ein Konzept geworden, das sie immer noch trägt. „Das hat mich sicher aus so alt werden lassen“, sagt sie. „Und es lässt mich nicht mürrisch oder traurig werden – das würde nicht zu mir passen.“ Wohl aber die Fröhlichkeit, mit der sie in ihre Zukunft blickt. „Wenn ich vor den Herrgott trete, werde ich wie damals an der Klosterpforte die Hände hochreißen und sagen: Hier will ich bleiben.“

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