Zum Rücktritt des Weihbischofs im Bistum Münster

Dieter Geerlings: Keine Scheu vor klaren Worten und Menschennähe

Weihbischof Dieter Geerlings ist nach sieben Jahren im Amt zurückgetreten. Warum viele Menschen diesen Schritt bedauern werden, zeigt ein Blick auf sein Wirken und seine Positionen sowohl zu politischen als auch kirchlichen Fragen.

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Er war der Älteste, als 2010 gleich drei neue Weihbischöfe für das Bistum Münster geweiht wurden. Mit 63 Jahren zog Dieter Geerlings damals neben den 15 Jahre jüngeren Christoph Hegge und Wilfried Theising in Münsters Dom ein. Dass Geerlings jetzt mit 70 Jahren als Weihbischof zurücktritt, überrascht dennoch – und auch wieder nicht. Fünf Jahre wären ihm noch bis zur üblichen Altersgrenze geblieben. Andererseits: Erst vor zwei Jahren hatte er sich wegen einer schweren Krebs-Erkrankung zurückgezogen.

2017 schien er sich erholt zu haben, nahm wieder Aufgaben im Bistum war. Doch jetzt hat Geerlings Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten – nach dringender Empfehlung seiner Ärzte. Und der Papst ist seiner Bitte nachgekommen. Soweit er kann, will der Weihbischof sich weiter in Dienst nehmen lassen – zum Beispiel bei Firmungen, die ihm besonders Freude machen.

 

Lebensliebhaber, der auch die dunklen Seiten kennt

 

Weihbischof Dieter Geerlings im Video-Interview mit „Kirche-und-Leben.de“ (2012) auf unserem Youtube-Kanal.

Ohnehin ist Geerlings ein lebenslustiger Mann, der Musik und Spaziergänge genießt, wie er „Kirche+Leben“ 2012 im Video verraten hat. Aber er ist auch mit den dunklen Seiten des Lebens vertraut, weiß sich immer schon Kranken, Schwachen, Benachteiligten verbunden. Mit ihnen kann er gut, für sie tritt er ein – in der Kirche, in der Politik, in den Medien und im Diözesan-Caritasverband, dessen Vorsitzender er von 1988 bis zu seiner Ernennung zum Weihbischof war.

Ab 2001 leitete er zudem den Katholischen Krankenhausverband Deutschlands. Sowohl in diesem Amt als auch in seinem sozialen Engagement und als Regionalbischof für die Region Coesfeld/Recklinghausen war Geerlings seinem Vorgänger Weihbischof Josef Voß (+ 2009) nah. Beide scheuten nicht die Begegnung mit den Menschen, mit den kleinen Leuten zumal. Dass Geerlings bis heute so beliebt ist, hat viel mit seiner Art zu tun, authentisch Mensch und authentisch Bischof zu sein.

Sein Feingefühl als Seelsorger erlebten viele, als Geerlings 2015 an der Trauerfeier für die Schülerinnen und Schüler in Haltern teilnahm, die beim Absturz eines Germanwings-Flugzeugs ums Leben gekommen waren. In der Halterner Kirche trug er dabei ein eigens von ihm verfasstes, bewegendes Gebet vor.

 

Klare Haltung zu Flüchtlingen

 

In einem Gespräch mit „Kirche+Leben“ etwa hat er die Haltung der Kirche zu Flüchtlingen klar formuliert: „In diesen komplexen Fragestellungen muss unmissverständlich deutlich sein: Die Aufnahme von Flüchtlingen ist nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, sondern auch Ausdruck dafür, dass unsere Gesellschaft sich zu den Grund- und Menschenrechten bekennt. Aber diese sind unteilbar und nicht verhandelbar. Andernfalls gefährdet man die Menschenrechte eines jeden Menschen.“

Auch als stellvertretender Vorsitzender der Migrationskommission innerhalb der Bischofskonferenz beschäftigte er sich unter anderem mit den heute drängenden Themen wie: Wie kann Integration gelingen? Wie können Fluchtursachen bekämpft werden? Wie vermeiden wir Parallelgesellschaften? Wie verlaufen die Asylverfahren? Wie sind Rückführungen und Abschiebungen zu bewerten? Wie steht es um die Sinti und Roma? Aber auch: Wie helfen wir den aus dem Nahen Osten geflohenen und verfolgten Christen arabischer Sprache aus unterschiedlichen Kirchen, dass sie in Deutschland ihren Ritus leben und ihre Gemeinde finden können?

 

Nüchterne Diskussion über Zölibat

 

Geerlings ist ein Bischof, der klare Worte auch in die Kirche hinein nicht scheut. Erst vor wenigen Monaten sprach er sich bei einer Tagung über „Jugend, Sex und Kirche“ dafür aus, die Gewissensentscheidung junger Menschen auch in Fragen der Sexualität zu akzeptieren und zu tolerieren. Er befürworte eine Abkehr vom strengen „Vermeidungs-Imperativ“.

Zudem sprach er sich dafür aus, über die Frage verheirateter Priester „nüchtern und ohne polemische Verteidigungsstrategien“ nachzudenken. In einem Interview mit „Kirche+Leben“ sagte er, er wünsche sich auf hohen und höchsten Ebenen einen Gesprächsprozess darüber, warum es immer weniger Priester gibt. Den Zölibat nannte er gleichwohl ein „hohes Gut“.

„Ich bedauere es sehr, dass ich dem Papst meinen vorzeitigen Amtsverzicht anbieten musste“, sagte Weihbischof Geerlings über seine Entscheidung. Das geht nicht nur ihm so.

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