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Die Vorlage des Missbrauchsgutachtens für das Erzbistum München und Freising am 20. Januar, am 24. Januar dann die Veröffentlichung der Initiative „OutInChurch“ über das Schicksal nicht-heterosexueller Menschen in der katholischen Kirche. Vielen Menschen fehlten die Worte.
Auch dem Seelsorgeteam der Gemeinde St. Gertrud Lohne, das dienstags spontan zusammenkam. Dort überlegte der Pfarrer, Domkapitular Rudolf Büscher, mit einigen anderen: Was können wir machen?
Solidarität für Betroffene von Missbrauch
Ergebnis der Überlegungen war die Aktion „Uns fehlen die Worte!“ Ihr Ziel: Solidaritätsunterschriften sammeln für Betroffene von Missbrauch, zur Übergabe an die deutschen Bischöfe mit der Bitte um Konsequenzen.
Zudem beschloss das Team für das Wochenende besondere Gemeindegottesdienste, um Sprachlosigkeit und Ohnmacht auszudrücken. Konkret: kein Glockengeläut am Wochenende, kein Gemeindegesang im Gottesdienst. Und keine Predigt: stattdessen „eine Zeit der Stille zum solidarisch aushaltenden Schweigen mit den Opfern“, wie es in der Ankündigung hieß.
Entsetzen in der Gemeinde
Pfarrer Rudolf Büscher beim Einführungsgottesdienst zur Solidaritätsaktion. | Foto: Mechtild Runnebom
Pastoralreferentin Christine Gerdes erklärt: „Uns fehlen die Worte – unser Verhalten in der Gemeinde sollte genau das zeigen.“ Das Motto habe aber auch eine zweite Bedeutung: „Wir sind entsetzt.“ Diesem Gefühl sei sie in diesen Tagen in der Gemeinde immer wieder begegnet.
Die Unterschriftenaktion am Freitagnachmittag vor der Kirche war der Versuch einer Antwort darauf. Denn neben den Listen standen Mitglieder des Seelsorgeteams für Gespräche bereit. So kann Christine Gerdes von etwa 120 Unterschriften am Freitagabend berichten, aber auch von einem Nachmittag mit „sehr vielen, intensiven Gesprächen.“
Erstaunt über einen Wiedereintritt
Davon berichtet auch Pfarrer Büscher. Er habe oft gehört: „Endlich tut und sagt ihr mal was!“ Offensichtlich habe es in der Gemeinde „eine große Erwartungshaltung“ gegeben.
In den Gesprächen seien ihm viele resignierende Menschen begegnet, die keine große Hoffnung auf Veränderung mehr haben. Überrascht war Büscher, als ihm eine Frau berichtete, sie sei nach langen Jahren wieder in die Kirche eingetreten. Anlass war für sie ein Segnungsgottesdienst der Gemeinde im Mai, bewusst auch für gleichgeschlechtliche Paare. Das habe die Frau als Zeichen des Aufbruchs an der Basis der Kirche verstanden und als Ermunterung, sie durch ihren Wiedereintritt zu stärken.
Auch in Steinfeld stille Gottesdienste
Bei den Gesprächen vor St. Gertrud Lohne gab es heftige Diskussionen über das Verhalten der Kirche. | Foto: Mechtild Runnebom
Die besondere Form des Gottesdienstes wurde auch an anderen Orten im Dekanat Damme gefeiert. In der Gemeinde St. Johannes Steinfeld, mit den Tochtergemeinden in Mühlen, Holdorf und Handorf-Langenberg, feierte die Gemeinde ebenfalls ohne Gesang, Predigt und Glockengeläut.
In Mariä Himmelfahrt Vechta verzichtete die Gemeinde in den Gottesdiensten bewusst auf die Fürbitten und ersetzte sie durch eine Zeit der Stille für persönliche Gebete für Betroffene von Missbrauch und Ausgrenzung. Auch die Dominikaner in Vechta feierten in der Klosterkirche ihre Gottesdienste in dieser Form, wie Pater Ludger Fortmann bestätigt hat. Die Ordensbrüder stellten sich nach den Gottesdiensten vor der Kirche auch für Gespräche zur Verfügung.
„OutInChurch“ bestimmt die Diskussion
Wegen eines aufziehenden Sturms wurden solche Gespräche vor der Propsteikirche St. Georg abgesagt. Für die Gemeinde organisierte Pastoralreferent Daniel Richter deshalb spontan eine Onlinediskussion und stellte dafür Kontaktdaten zur Verfügung. Gut 20 Menschen schalteten sich dazu am Sonntagabend zusammen.
Dort habe vor allem die Aktion „OutInChurch“ das Gespräch bestimmt, so Richter, „das Erschrecken darüber, was das System mit einigen Menschen macht, die nicht seinen Vorstellungen entsprechen.“
Großer Vertrauensverlust
Deutlich geworden sei für ihn an diesem Wochenende, wie sehr beide Themen, Missbrauch und Ausgrenzung, spürbar einen „riesigen Vertrauensverlust“ hervorrufen, sagte der Pastoralreferent. Vor diesem Hintergrund bemühe sich die Gemeinde, einen Dialog zu führen mit Menschen, „die überhaupt noch mit uns sprechen wollen“.