Zum Tod von George Floyd und zu Reaktionen von Donald Trump und Menschen weltweit

Kniebeugen, Bibel und USA - von Brutalität zu Respekt

Heute wird George Floyd in Houston beigesetzt. Sein Tod und die anschließenden Proteste wurden von verschiedenen Gesten wie Kniebeugen oder präsidiales Bibelposing begleitet. Beide zeigen die Kraft religiöser Symbole - doch nicht immer geht es gut aus.

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Die Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch das Knie eines Polizisten führt zu einer weltweiten Welle: Auf einmal beugen Millionen Menschen die Knie. Und eine weitere Geste mit religiöser Kraft kommt dieser Tage aus den USA. Auch sie entlarvt mit Macht Verachtung nicht nur gegenüber Menschen.

Aufgeheizte Zeiten produzieren mitunter im doppelten Wortsinn „merkwürdige“ Gesten. Manche sind bewusst gesetzt, damit sie eine bestimmte Wirkung entfalten, andere weiten sich aus einer ganz profanen Situation zu einer fast heiligen Handlung. Und auf einmal entwickeln sie eine Dynamik, gewinnen sie eine Macht und Intensität, dass sie beinahe den gesamten Globus in Aufruhr bringen.

Soll noch einer sagen, Symbole, Gesten und Riten – erst recht, wenn sie einen religiösen Touch haben – hätten in einer aufgeklärten und eher die Unmissverständlichkeit des Ausdrucks schätzenden Welt weder Platz noch eine Chance, verstanden zu werden.

 

Acht Minuten und 46 Sekunden

 

In den USA waren in diesen Tagen gleich zwei Gesten Anlass für eine solche globale Welle. Die eine entstand aus etwas ursprünglich unsagbar Brutalem und wandelte sich in etwas äußerst Respektvolles. Die andere Geste benutzte schamlos etwas zutiefst Gutes und verzerrte es zum krassen Gegensatz. Die eine Situation war gnadenlos berechnend inszeniert, die andere initiierte unbeabsichtigt eine kollektive Performance.

Es geht um die tödliche Erniedrigung eines afroamerikanischen US-Bürgers namens George Floyd durch die rassistisch motivierte Gewalt einiger Polizeibeamten. Wegen der mutmaßlichen Verwendung von Falschgeld kam es zur Auseinandersetzung, an deren Ende ein Polizist sein Knie auf den am Boden liegenden Floyd presste. Er ließ sein Knie auf Floyds Hals, obwohl dieser immer wieder sagte: „I can‘t breathe – Ich kann nicht atmen.“ Acht Minuten und 46 Sekunden drückte der Polizist sein Knie auf Floyds Genick. George Floyd starb wenig später im Krankenhaus. Heute wird er in Houston beigesetzt.

 

Millionen knien öffentlich –  wie an Fronleichnam

 

Seitdem beugen Millionen von Menschen ihre Knie – jetzt aber mit ganz anderem Sinn. Aus der tödlichen Unterwerfungstat des Polizisten entwickelte sich eine Geste der Anteilnahme am Tod von George Floyd, der Solidarität mit allen dunkelhäutigen Menschen und des Protests gegen Rassismus und Polizeigewalt.

Auf einmal beugen Millionen von Menschen ihre Knie – öffentlich wie sonst nur zu Fronleichnam. Bald schließen sich ihnen Polizisten an, distanzieren sich von ihren Kollegen. Der Bischof von El Paso, Mark Seitz, tut es ihnen gleich – und erhält kurz darauf einen Solidaritätsanruf von Papst Franziskus.

 

Von Überheblichkeit zu Respekt

 

Manche empfinden das Knien etwa in der Kirche als eines aufrechten Menschen unwürdig. Der Gewalttäter in Uniform hat das noch pervertiert: Nicht nur macht das Knien vor einem Größeren den Menschen klein, der Mächtige presst ihn sogar auf ihm kniend in den Dreck, sodass er die vermeintliche Überlegenheit buchstäblich im Nacken spürt.

Doch dann geschieht etwas Grundlegendes: Alle knienden Menschen wenden das Zeichen der Überheblichkeit in eine Geste des Respekts. Des Respekts vor der Würde jedes Menschen. Im Christentum ist das Knien gerade kein Ausdruck der Erniedrigung – weder der erzwungenen noch der freiwilligen. Es ist nur möglich und richtig verstanden als Ausdruck hingebenden Vertrauens in einen liebenden, jeden aufrichtenden Gott.

 

Die zweite Geste: Donald Trump und das Bibel-Posing

 

Die andere Geste: US-Präsident Donald Trump posiert mit einer Bibel in der Hand vor einer Kirche am Weißen Haus. Zuvor lässt er Anti-Rassismus-Demonstranten mit Tränengas aus dem Weg räumen. Zuvor hatte er mit dem Einsatz von Militärs gegen die eigenen Bürger gedroht. Später drapiert er sich samt Ehefrau auch vor einer Statue des heiligen Papstes Johannes Paul II..

Katholiken und sogar evangelikale Anhänger waren entsetzt. Das ist Missbrauch des Wortes Gottes. Das ist Verhöhnung des heiligsten Buchs von Juden und Christen. Das ist die Perversion dessen, was Christen wie Nicht-Christen verbindet: der Glaube daran, dass alle Menschen gleich sind, ungeachtet ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihres Alters, ihrer sexuellen Identität und Orientierung.

Doch der Präsident der Vereinigten Staaten hat die Macht dieses Buches unterschätzt. Die Bibel selbst entlarvt die vermeintlich fromme Trump-Geste als das, was sie ist: Sünde.

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