Bundesweiter Protesttag

Steht Klinik-Sterben bevor? Krankenhäuser fordern schnelle Finanzhilfen

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Steht Deutschland am Beginn eines unkontrollierten Krankenhaus-Sterbens? Mit einem bundesweiten Protesttag wollen Kliniken auf die Gefahr aufmerksam machen. Und die Politik schiebt einander die Schuld zu.

Vertreter von Krankenhäusern, Pflege und Gewerkschaften haben am Mittwoch bei einem bundesweiten Protesttag vor einem ungeordneten Klinik-Sterben in Deutschland gewarnt. Wegen stark steigender Personal- und Energiekosten sowie einer hohen Inflation forderte die Branche unter dem Motto „Stoppt das Krankenhaussterben“ zusätzliche Hilfen des Bundes.

An der zentralen Kundgebung vor dem Brandenburger Tor in Berlin nahmen mehrere Hundert Menschen teil. Demonstrationen gab es auch in weiteren Städten, so auch in Düsseldorf und Hannover. In Düsseldorf demonstrierten unter anderem Mitarbeitende von Einrichtungen der St.-Franziskus-Stiftung. Nach Hannover hatten sich nach Caritas-Angaben unter anderem 300 Pflegekräfte aus dem Oldenburger Land aufgemacht. Gesetzlich ist es den Krankenhäusern nicht möglich, ihre gestiegenen Ausgaben an die Patienten weiterzugeben.

„Inflationsausgleich“ für Krankenhäuser

Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, erklärte, in vielen Krankenhäusern sei die Verunsicherung groß. Er forderte einen „Inflationsausgleich“ noch vor einer geplanten Reform der Krankenhauslandschaft. Sonst würden viele Häuser die Reform nicht mehr erleben.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verwies auf umfassende Hilfen des Bundes. Im Morgenmagazin von ARD und ZDF gab er den Bundesländern eine Mitschuld. Sowohl bei den Energie- als auch bei den Personalkosten in der Pflege helfe der Bund mit Milliardenbeträgen, sagte der SPD-Minister. Die Länder dagegen seien seit zehn Jahren ihren Pflichten bei den Investitionskosten nicht nachgekommen.

Lauterbach: Zu viele Krankenhäuser in Deutschland

Mitarbeitende der Franziskus-Stiftung bei Demo in Düsseldorf
Mitarbeitende von Einrichtungen der St.-Franziskus-Stiftung (Münster) nahmen an der „Alarmstufe Rot“-Demo in Düsseldorf teil. Ihre Forderung: Schnelle Finanzhilfen. | Foto: pd

Der Minister verwies unter anderem auf schon zugesicherte Hilfen für gestiegene Energiekosten von sechs Milliarden Euro. Noch bis zum Frühjahr 2024 würden 2,5 Milliarden Euro davon ausgezahlt. Auch werde die Bundesregierung die Bezahlung der Pflegekräfte in den Krankenhäusern per Gesetz beschleunigen.

Lauterbach betonte zugleich, dass es in Deutschland zu viele Krankenhäuser gebe. Insolvenzen seien allerdings nicht das richtige Mittel, um eine funktionsfähige Krankenhauslandschaft zu schaffen. Die Defizite der Krankenhäuser liegen aus Sicht des Ministers in erster Linie daran, dass die Fallzahlen nach Corona deutlich gesunken sind. Dieser Trend werde anhalten, weil ein immer größerer Anteil von Behandlungen ambulant gemacht werden könne.

Wirtschaftliche Situation an Kliniken dramatisch

Nach einer in der „Rheinischen Post“ veröffentlichten Umfrage der DKG bewerten mittlerweile 68 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser ihre aktuelle wirtschaftliche Situation als schlecht (36 Prozent) oder sehr schlecht (32 Prozent). Fast die Hälfte der Häuser (48 Prozent) sieht ihre Liquidität bis Ende 2024 gefährdet.

49 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser erwarten laut Umfrage, ihr Angebot in den nächsten sechs Monaten reduzieren zu müssen, etwa indem sie Betten sperren oder Stationen vorübergehend schließen. 38 Prozent planten bereits konkret, offene Stellen zeitweise nicht mehr zu besetzen, heißt es.

Katholische Kliniken fordern schnelle Finanzhilfen

Krankenhaus-Demo in Hannover
Allein vom Oldenburger Pius-Hospital waren 50 Demo-Teilnehmer nach Hannover gereist. | Foto: Kattinger (pd)

Auch der Deutsche Städtetag forderte „Sofortmaßnahmen und schnelles Geld“ für die Kliniken. Sie bräuchten einen ausreichenden Inflationsausgleich und die volle Finanzierung der vereinbarten Tarifsteigerungen im Jahr 2024 von rund zehn Prozent, sagte Präsident Markus Lewe (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Der Katholische Krankenhausverband Deutschland forderte die Bundesregierung auf, schnell nachhaltige Finanzhilfen auf den Weg zu bringen und Tarifsteigerungen vollständig zu refinanzieren. Geschäftsführerin Bernadette Rümmelin erklärte, gerade für freigemeinnützige Häuser wie die katholischen Kliniken sei die Lage besonders brisant. Ihr Defizit werde in aller Regel nicht von den Kommunen kompensiert.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) rief Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der „Augsburger Allgemeinen“ auf, die Krankenhausfinanzen zur Chefsache zu machen und als Teil seines Deutschlandpaktes voranzutreiben.

Laumann weist Lauterbach-Kritik zurück

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) wies die Kritik Lauterbachs an den Ländern zurück: Es sei richtig, dass die Länder bei den Investitionskosten in der Vergangenheit ihre Hausaufgaben nicht gemacht hätten, räumte er in der „Rheinischen Post“ ein. NRW habe aber 2017 eine entschiedene Kehrtwende vollzogen. Laumann sieht den Bund in der Pflicht, Überbrückungsleistungen zu zahlen. Er habe die Verantwortung für die Betriebskosten übernommen.

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