Weihbischof Christoph Hegge zu Gesellschaft, Demokratie, Menschenwürde

Weil so viel auf der Kippe steht: Integrieren statt polarisieren!

Anzeige

Es steht viel auf der Kippe, sagt Weihbischof Christoph Hegge in seinem Gast-Kommentar: gesellschaftlicher Zusammenhalt, Vertrauen in die Demokratie, Grundsätze menschlichen Lebens. Sein Rat ist eindeutig.

Im Rahmen des Solidaritätskonzerts „Gegen das Schweigen. Gegen Antisemitismus“ sagte die 102-jährige Überlebende des Holocaust, Margot Friedländer: „Ich bin entsetzt, was jetzt sich aufgetan hat. Wir sind doch alle Menschen, kommen auf dieselbe Art und Weise auf diese Welt. Es gibt kein christliches, kein muslimisches, kein jüdisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut. Wir sind alle Menschen. Respektiert diese Menschen. Das ist, was ich Jedem sage. … Nur menschlich sein. Seid Menschen.“

Damit greift sie die Situation in unserem Land und in der Welt von heute auf. Viele Menschen sind verunsichert, verängstigt bis hin zur Aggression: die Folgen der Pandemie, der Ukraine-Krieg, die Energiewende, der bestialische Terrorangriff der Hamas auf Israel, die Flüchtlingspolitik, das Bürgergeld, …

Was auf der Kippe steht

Der Autor
Christoph Hegge, geb. 1962, ist seit 2010 Weihbischof im Bistum Münster und zuständig für die Kreisdekanate Borken und Steinfurt. Er ist Mitglied der Kommission Wissenschaft und Kultur der Deutschen Bischofskonferenz sowie als promovierter Kirchenrechtler des höchsten kirchlichen Gerichts, der Apostolischen Signatur in Rom.

Der gesellschaftliche Zusammenhalt, das Vertrauen in die Demokratie und Grundsätze menschlichen Lebens stehen auf der Kippe. Ebenso gilt: Wir haben keine Zukunft, außer eine gemeinsame! Darum gilt es, gemeinsame Ebenen der Auseinandersetzung zu schaffen und eine Ebene der Verständigung zu suchen, die eine menschenfreundliche, demokratische und nachhaltig-solidarische Gesellschaft zum Ziel hat. In unser politisches und gesellschaftliches Denken darf kein Freund-Feind-Denken einziehen.

Achten wir die Würde jedes Menschen und entwickeln wir eine Streitkultur, in der Aushandlungsprozesse Kompromissfähigkeit voraussetzen. Kompromissfähigkeit bedeutet nämlich: „Lieber das weniger Perfekte gemeinsam, als das scheinbar Perfektere im Alleingang.“

Was Menschsein wirklich bedeutet

Diese Haltung ist alternativlos und erfordert von allen Seiten Entgegenkommen und die Einsicht in den hohen Wert einer solidarischen Gesellschaft. Anders gesagt: „Frage dich, was du bereit bist, für diese Gesellschaft zu geben? Was kannst du zum Gemeinwohl beitragen?“ Dies ist dann genau das Gegenteil von Egoismus und Populismus und wirkt einer Polarisierung der Gesellschaft entgegen.

Frieden und Solidarität sind nicht einfach da, wenn ich nichts tue. Am Weihnachtsfest haben wir die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus gefeiert. An seinem Leben, seiner Botschaft und seinem Sterben können wir erkennen, was Menschsein wirklich bedeutet: Leben aus Liebe verschenken, Frieden und Gemeinschaft stiften ohne Berechnung, Leben für die Einheit der gesamten Menschheit, die nur einen Gott, einen himmlischen Vater kennt.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Anzeige