Pfarrer Carl Möller über ein Ding der Unmöglichkeit

Auslegung der Lesungen vom 4. Adventssonntag (C)

Zwei Frauen begegnen sich. Die eine alt, die andere Jungfrau. Und beide schwanger. Wie soll das gehen? Das fragen sich nicht nur die beiden Frauen, Maria und Elisabeth, das fragen sich auch viele Zeitgenossen. Pfarrer Carl Möller über einen "unmöglichen" Glauben.

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Zwei Frauen begegnen sich. Die eine alt, die andere Jungfrau. Und beide schwanger. Wie soll das gehen? Das fragen sich nicht nur die beiden Frauen, Maria und Elisabeth, das fragen sich auch viele Zeitgenossen. Pfarrer Carl Möller über einen „unmöglichen“ Glauben.

„Das halte ich für ein Ding der Unmöglichkeit!“ Diese Feststellung wird stimmlich oft mit der Vehemenz sachlicher Ablehnung unterstrichen. „Das halte ich für absolut unmöglich!“ In den Tagen des Advents höre ich diese Aussage besonders laut. Sie ist für mich wie ein Schrei, der sich durch hunderte Weihnachtsmärkte und überfüllte Kaufhäuser zieht.

Ich gebe zu, dieser Schrei ist nicht mit unseren Ohren zu hören. Es ist kein aggressiver Schrei gegen den Konsumrausch auf Weihnachtsmärkten. Ganz im Gegenteil. Es braucht eine besondere Deutung unserer modernen Advent- und Weihnachtskultur mit der Vielfalt ihrer Symbolik. Die für den einzelnen Menschen kaum noch zu verarbeitende Vielfalt der Adventsgestaltung hat diesen Aufschrei fast erstickt.

 

Verdrängen mit aller Kraft

 

Das Evangelium vom 4. Adventssonntag (C) zum Hören und Sehen auf unserem Youtube-Kanal (alte Einheitsübersetzung).

Was halten so viele Menschen in dieser Festzeit unseres Kirchenjahres mittlerweile für so unmöglich, dass sie es mit allergrößter Anstrengung zu verdrängen suchen?
Das heutige Advents- und Weihnachtsverhalten versucht unter großem Einsatz zu leugnen, dass es sich beim Weihnachtsfest um die Feier der geheimnisvollen Geburt des Erlösers der Menschheit handelt. Unglaublich und unmöglich!

An Weihnachten soll es sich um die Geburt eines Gottes- und Menschensohnes handeln. Wer kann, wer will das heute noch begreifen? Die erste Unmöglichkeit: Eine alte, längst unfruchtbar gewordene Frau wird im hohen Alter schwanger. Johannes der Täufer kommt als eine biologische Unmöglichkeit zu Welt.

 

Biologisch unmöglich

 

Die zweite Unmöglichkeit: Maria gebiert ihren Sohn nicht, weil sie mit Josef geschlafen hätte, nein, weil die Kraft des Heiligen Geistes sie überschattet, wird sie – ebenfalls biologisch unmöglich – jungfräulich schwanger. Unmöglich das Ganze.

Zacharias und Elisabeth können es selbst kaum glauben; Zacharias erschrickt. Aber ein Engel hilft ihm, mit dem Schrecken fertig zu werden. Auch Maria erschrickt zutiefst, als sie die Worte des Engels hört, sie werde durch die Kraft des Heiligen Geistes, jungfräulich also, einen Sohn gebären, den Messias. Natürlich erschrickt sie zutiefst. Auch ihr steht der Engel durch seine Aussage hilfreich zur Seite: Erinnere dich, Maria, du gläubige Jüdin, dass für Gott nichts unmöglich ist. Darauf willigt sie trotz allem ein.

Der Autor
Pfarrer Carl MöllerPfarrer Carl Möller ist Seelsorger, Analytischer Psychologe und Rektor der Klosterkirche Vinnenberg bei Warendorf. | Foto: privat

Für das hochbetagte Paar Zacharias und Elisabeth ist es vom Alter her eindeutig zu spät für eine Schwangerschaft. „Zu spät“ lautet auch der Titel eines Buchs des ehemaligen Abtes vom Kloster Einsiedeln in der Schweiz. Für eine wirkliche Erneuerung des Glaubens in unserer Kirche scheint es zu spät: fünf nach zwölf, so Abt Martin Werlen. Es ist so spät, dass die meisten Menschen in den Gesellschaften der europäischen Länder das Handeln der Kirche längst für aussichtslos unfruchtbar erklärt haben.

 

Alle Feste scheinen sinnentleert

 

Nicht nur Advent und Weihnachten, sondern alle Hochfeste des Kirchenjahres scheinen sinnentleert, unfruchtbar, wie eine versiegte Quelle. Einmal unfruchtbar Gewordenes kann Neues nicht mehr gebären. Ebenso kann eine Mutter ihre Kinder nicht jungfräulich gebären. Das mit dem Geheimnis von Weihnachten kann unmöglich so passiert sein.

Vielleicht habe ich es aber selbst schon erlebt und den symbolischen Inhalt dieser Aussage erfahren dürfen. Alles zu spät; nichts geht mehr, nur noch Wüste, unfruchtbar erscheinende Wüste meines Lebens. Depression, Resignation. Plötzlich fällt Regen vom Himmel, ich erschrecke. Das vollständig vertrocknete, unfruchtbar gewordene Erdreich wird feucht und gebiert neues Leben. Die Wüste lebt.

Aber da ist noch die Unbegreiflichkeit der schwangeren Jungfrau. In das „Zu spät“ der zum Teil degenerierten jüdischen Tradition von erstarrten Pharisäern und Schriftgelehrten, in die trügerisch falsche Erwartung eines von menschlichen Vorstellungen geprägten Messiasbildes dringt die Botschaft des Engels Gabriel.

 

Zwei große Geheimnisse

 

Die Geburt des göttlichen Kindes kündigt sich an im Bereich der Herzensreinheit Mariens, in ihrer Jungfräulichkeit. Dort allein kann die Geburt Gottes in der menschlichen Seele stattfinden. Am Urgrund menschlichen Lebens, wo die Flamme des göttlichen Funkens in uns vom Öl der Liebe Gottes gespeist wird, wird Jesus in uns geboren.

Wenn ich diese zwei großen Geheimnisse der Geburtsgeschichte Jesu auf der symbolischen Ebene annehme, fällt es mir sogar relativ leicht, auch die biologische Ebene zu akzeptieren, weil für Gott nichts unmöglich ist. Er tut alles, um die Behauptung „Das ist absolut unmöglich“ in mir zu wandeln. Bei ihm ist es eben nicht unmöglich, in die grausame Dunkelheit des Menschen Licht zu bringen, auch in die brutalste Dunkelheit unserer Kirche.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 4. Adventssonntag (Lesejahr C) finden Sie hier.

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