Aufruf "Für Solidarität und Zusammenhalt jetzt!" fordert Entlastungen

Caritas distanziert sich von gesellschaftlichem Appell zu Zusammenhalt

  • Der Deutsche Caritasverband distanziert sich von einem Appell für mehr Zusammenhalt in Deutschland.
  • Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften, evangelische Kirche, Wissenschaft und Kultur hatten den Aufruf heute veröffentlicht.
  • Sie fordern Entlastung für Menschen mit geringem Einkommen angesichts von Ukraine-Krieg, Inflation und Lieferketten-Problemen.

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Der Deutsche Caritasverband distanziert sich von einem heute veröffentlichen Aufruf mehrerer gesellschaftlicher Gruppen zu mehr Zusammenhalt in Deutschland. Hintergrund für den Appell sind stärkere Belastungen für einkommensschwächere Haushalte durch massive Preissteigerungen unter anderem bei Lebensmitteln und Energie.

"Wir sehen die Solidarität derzeit nicht gefährdet", sagte Anja Stoiser, stellvertretende Caritas-Pressesprecherin, auf Anfrage von "Kirche-und-Leben.de". "Wir befürchten vielmehr eine stärkere Spaltung der Gesellschaft durch derartige Aufrufe." Zugleich betonte sie: Natürlich wisse die Caritas aus ihren Beratungsstellen, "dass die Preissteigerungen vor allem für Energie und Nahrungsmittel von Menschen mit geringen bis durchschnittlichen Einkommen kaum noch zu stemmen sind. Sie brauchen dringend Unterstützung", so Stoiser.

Was im Appell steht

Unter dem Motto "Für Solidarität und Zusammenhalt jetzt!" fordern prominente Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, evangelischer Kirche, Wissenschaft und Kultur in dem Aufruf eine wirkungsvolle Entlastung von Haushalten mit geringem Einkommen.

"Der Angriffskrieg auf die Ukraine, die Corona-Pandemie und weltweit gestörte Lieferketten haben Preissteigerungen vor allem für Energie und Nahrungsmittel ausgelöst, die von Menschen mit geringen bis durchschnittlichen Einkommen kaum noch zu stemmen sind", heißt es. Für viele bedeute die hohe Inflation eine existenzielle Bedrohung. Daher sei insbesondere die Solidarität derjenigen gefragt, die über große Einkommen und Vermögen verfügten, so der Appell. 

Wer den Aufruf unterzeichnet hat

Zu den Erstunterzeichnenden gehören die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, Diakonie-Präsident Ulrich Lilie, der Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, sowie der Vorsitzende der Tafel Deutschland, Jochen Brühl.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, war nach Angaben der Bischofskonferenz ebenfalls für den Appell angefragt worden. Er sei jedoch "grundsätzlich bei der Zeichnung von Appellen und Petitionen zurückhaltend - diese Linie hat er hier fortgesetzt", hieß es auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Solidarität müsse "sehr konkret und sehr konsequent" gelebt werden, erklärte Kurschus. "Das wird auch uns selbst in unserem Alltag einiges abverlangen."

Kurschus: Entschlossenheit ist da

So sei mit Preissteigerungen "in etlichen Bereichen" zu rechnen. Dies dürfe nicht zulasten derer gehen, "die jetzt schon zu wenig haben". Den "entschlossenen Willen" zum Zusammenhalt nehme sie in der Gesellschaft deutlich wahr, betonte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen.

Lilie rief die Politik dazu auf, diejenigen als erste in den Blick zu nehmen, die am härtesten von den Preissteigerungen getroffen werden. "Wer bereits heute fast zwei Drittel des Einkommens für Miete, Energie und Lebensmittel ausgeben muss und über keine nennenswerten Rücklagen verfügt, kann der Inflation nicht entkommen", erklärte der Diakonie-Chef.

Caritas: Wir distanzieren uns nicht
Der Caritas-Bundesverband trat am Nachmittag der Meldung von "Kirche-und-Leben.de" entgegen, wonach er sich von dem Aufruf distanziert habe. "Wir distanzieren uns nicht", sagte dessen Sprecherin Mathilde Langendorf dem Evangelischen Pressedienst. "Wir haben ihn nur nicht unterschrieben." Die Position, dass große Herausforderungen auf die Gesellschaft zukämen, teile die Caritas zu 100 Prozent, sagte Langendorf. Der Verband sehe aber zumindest im Moment noch kein Solidaritätsdefizit. Zudem habe es an personellen Ressourcen für die Abstimmungsprozesse für diesen Aufruf gemangelt, sodass die Caritas ihn nicht mit Priorität behandelt habe. | epd

UPDATE 11.15 Uhr: Ergänzende Erläuterung des Deutschen Caritasverbands im zweiten Absatz. | mn
UPDATE 13 Uhr: Reaktion Bischofskonferenz im sechsten Absatz. | jjo
UPDATE 17 Uhr: Äußerung der Caritas im Kasten | mn

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