Thomas Söding zum Thema Umkehr

Das Beispiel des Johannes: Weg von der Fixierung auf Macht

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Die Geschichte von der Enthauptung des Täufers Johannes kommt grausam daher und wiederholt sich auch heute noch ständig in den Kriegsgebieten dieser Welt. Und dennoch kann uns sein brutales Ende Mut machen, erklärt Neutestamentler Thomas Söding in seinem Gast-Kommentar.

Der 29. August ist der Tag, an dem der Enthauptung des Täufers Johannes gedacht wird. Eine grausige Geschichte, die mitten im Neuen Testament eine eigentümliche Faszination zwischen „Sex and Crime“ ausübt: Eine wüste Männergesellschaft am Hof eines Möchtegern-Königs, ein lasziver Tanz, zu dem die Königin ihre sehr junge Tochter drängt, ein tödlicher Wunsch, den der Fürst nicht abschlagen kann, weil er sich vor den Großen seines Reiches nicht blamieren will – was bei Markus und Matthäus steht, hat das Zeug zu einer großen Oper und ist in Wirklichkeit ein mieses Provinzstück über die Abgründe des Bösen mitten in der Welt.

Was Johannes dem Täufer widerfahren ist, wiederholt sich ständig – zu keiner Zeit häufiger als heute: Ein gerechter Mensch wird in einem ungerechten System verfolgt und ermordet. Ob man nach Russland schaut oder nach Afghanistan, ob nach Ecuador oder Mali – es gibt Mächte, die eine Herrschaft des Todes errichten und damit zu siegen scheinen. Und es gibt Menschen, die Widerstand leisten. Sie machen Hoffnung.

Umkehr hin zur Vorfreude auf das Reich Gottes

Der Autor
Thomas Söding ist Professor für die Exegese des Neues Testaments an der Ruhr-Universität Bochum. Als Berater der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz und Vizepräsident des Synodalen Wegs engagiert er sich für die Reform der katholischen Kirche. Er lebt in Münster.

Johannes der Täufer ist ein Märtyrer geworden, weil er zur Umkehr gerufen hat – nicht nur den Herrscher. Umkehr heißt: weg von der Fixierung auf die eigene Macht, hin zur Vorfreude auf das Reich Gottes, weg von einem Denken, das um sich selbst kreist, hin zu einer Vernunft, die sich von Gott die Zukunft zeigen lässt. Jesus hat diesen Umkehrruf aufgenommen und mit dem Glauben an das Evangelium verbunden.

Umkehr ist nötig, wenn der Tod nicht das letzte Wort haben soll – zuerst im eigenen Herzen. Umkehr ist möglich, weil der Tod nicht das letzte Wort hat. Menschen sind nicht auf ihre Herkunft festgelegt, nicht auf ihre genetische Disposition, nicht auf ihre Rolle, nicht auf das, was jetzt ihre Identität ausmacht. Die Ermutigung zur Freiheit ist die Verheißung, für die Johannes sein Leben gegeben hat.

Verwandlung vom Tod zum ewigen Leben

So todtraurig die Geschichte von der Enthauptung des Täufers ist – sie endet mit einem stillen Zeichen der Menschlichkeit: Seine Jünger kommen und holen den Leichnam, um ihn würdig zu begraben. So entsteht ein Ort der Erinnerung an den Tod, die lebendig bleibt. Die ganz große Veränderung ist die Verwandlung vom Tod zum ewigen Leben. Sie beginnt schon jetzt. Johannes ist Zeuge.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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