Jan Magunski zum Lernen aus der Vergangenheit

Die Schuld ist bekannt - wann bittet die Kirche um Entschuldigung?

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Fehlurteile, Fehleinschätzungen, Fehlverhalten - die Kirche hat sich einiges zu Schulden kommen lassen. Manches wurde offiziell zugegeben. Doch genügt das? Eine von vielen Fragen, die Pfarrer Jan Magunski in seinem Gast-Kommentar stellt.

Es war ein historisches Zeichen, vielleicht auch eine großartige Inszenierung, als der schon von Alter und Krankheit gezeichnete Papst Johannes Paul II. zu Beginn des Heiligen Jahres 2000 am 12. März die Schuld aus 2000 Jahren Kirchengeschichte eingestand und eine wegweisende Vergebungsbitte sprach. Bereits vor der Jahrtausendwende hatte er eingestanden, dass dem Naturwissenschaftler Galileo Galilei von Seiten der Kirche Unrecht widerfahren war. So vollzog der polnische Papst rund dreieinhalb Jahrhunderte nach dem Tod des Universalgenies dessen Rehabilitation.

In den vergangenen Jahren hat man sich – im Blick auf den grausamen Missbrauch innerhalb der Kirche – Gott sei Dank nicht mehr so viel Zeit gelassen, bis man auf regionaler und globaler Ebene klar und deutlich um Entschuldigung für Fehler und Versäumnisse bat.

Verpasste Chancen

Der Autor:
Jan Magunski, 53, studierte Theologie, Germanistik und Pädagogik in Münster, Innsbruck und Freiburg. 1999 zum Priester geweiht, gehörte er viele Jahre zum Team von „Kirche+Leben“. Seit Anfang dieses Jahres ist er Pfarrer im Forum St. Peter in Oldenburg, einem Projekt der City-Seelsorge im Bistum Münster.

Trotzdem frage ich mich angesichts so mancher fragwürdiger Entscheidungen und verpasster Chancen immer wieder, wie viele Fehleinschätzungen aus unserer Zeit erst in naher oder ferner Zukunft einmal aufgearbeitet und versöhnt werden.

Wird die Kirche eines Tages bei den Frauen Abbitte leisten, dass ihre Berufungen und Talente oft nur begrenzt genutzt worden sind?

Wird man alle Liebenden um Verzeihung bitten, denen man aufgrund ihrer Lebensform oder ihrer Vorgeschichte den offiziellen Segen verweigert hat?

Wird man bereuen, dass man starr auch anonymen Anzeigen nachgegangen ist – selbst gegen verdiente, vertraute Mitarbeiter?

Wird man verlegen sein, dass man an einzelnen umstrittenen Hirten festgehalten und dafür den Exodus unzähliger Schäfchen in Kauf genommen hat?

Wird man beklagen, dass man sich zu oft an Nebenschauplätzen aufgehalten und zu viel Zeit mit Regularien oder Detailfragen zugebracht – und darüber die eigentliche Verkündigung und Gestaltung der Frohen Botschaft zu sehr vernachlässigt hat: gerade in dunk­len Zeiten wie diesen, da die Gesellschaft nach authentischen Vorbildern und Wegweisung schreit?

Schlichtweg christlicher

Spätestens seit dem Philosophen Søren Kierkegaard wissen wir, dass man das Leben nur rückwärts verstehen kann, aber vorwärts leben muss. Das gilt ähnlich natürlich auch für die Geschichte und das Leben der Kirche.

Aber es besteht für kluge Köpfe kein Grund, nicht schon jetzt aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und in Gegenwart und Zukunft barmherziger, menschlicher und schlichtweg christlicher miteinander zu sein. Und zwar auf allen Ebenen …

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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