St. Gottfried in Münster-Süd bietet Gemeinde eine Heimat

Neue Gemeinde in Münster - äthiopisch-orthodoxe Christen feiern Gründung

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Eine neue Gemeinde hat sich gegründet – auf dem Gebiet des Bistums Münster. Was in Zeiten der Kirchenkrise ungewöhnlich klingt, ist in Münster Realität. Dort ist mit mehrstündigen Gottesdiensten eine äthiopisch-orthodoxe Gemeinde gegründet worden.

Plötzlich wird es still in der Kirche. Alle Augen sind auf den hinteren Altarbereich gerichtet, der mit einem roten Vorhang abgetrennt und mit Ikonen geschmückt ist. Leiser Gesang erklingt von dort, und wird von den weiß gewandeten Frauen in den Bänken aufgenommen, schwillt an. Riesige Trommeln steigen mit ein, geben dröhnend den Takt vor. Der Vorhang öffnet sich und Männer in prächtigen Gewändern treten hervor. In lautem Jubel löst sich die aufgestaute Spannung. Gellende Rufe erfüllen das Kirchenschiff. Ein Hauch von Afrika wehte am Wochenende durch die katholische Kirche St. Gottfried in Münster. Der Höhepunkt dieser äthiopisch-orthodoxen Gemeindegründung auf dem Gebiet des Bistums Münster ist erreicht: die Prozession der Bundeslade um die Kirche.

„Ohne die Kopie der Bundeslade kann keine Gemeindegründung stattfinden“, erklärt der Berliner Bischof Diyonasiyos Tedla Mengistu, der für die mehr als 7.000 äthiopisch-orthodoxen Christen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden zuständig ist und der Gründung vorsteht. Das Original der Bundeslade – Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten – befindet sich nach äthiopisch-orthodoxer Tradition in der alten Königsstadt Aksum, im Norden Äthiopiens. „Ich freue mich sehr, dass wir hier heute die Geburt der Gemeinde feiern können. An unserem Pfingstfest, dem Geburtstag der Kirche.“

Münster ist 35. Gemeinde in Deutschland

Die äthiopisch-orthodoxe Kirchengemeinschaft ist eine der ältesten christlichen Kirchen und feiert wie die meisten orthodoxen Kirchen Weihnachten nach dem julianischen Kalender am 6. Januar. Dementsprechend verschiebt sich auch das Pfingstfest. „Ich bin dankbar, dass wir in Münster die 35. Gemeinde in Deutschland gründen können und wünsche mir, dass sie weiter wächst und gedeiht.“ Die Taufe des kleinen Jakob Tekola aus Münster war dazu ein guter Anfang und ein weiterer Höhepunkt des Festwochenendes, an dem die bis zu sechs Stunden langen Gottesdienste in gemeinsame Mahlfeiern mit traditionellen Gerichten übergingen.

In edle Stoffe gehüllt, für das Auge unsichtbar und geschützt mit bunten Schirmen wird die Bundeslade in einem wahren Fest des Glaubens um die Kirche getragen. Die Freude der Menschen ist mit Händen greifbar. Die Kinder, Jugendlichen und die Erwachsenen strahlen mit der Sonne um die Wette; wiegen sich im Rhythmus großer Trommeln, wie sie einige um den Hals gehängt haben, singen und klatschen. Alle Gläubigen tragen weiße Gewänder, angelehnt an das „weiß der himmlischen Engel“, berichtet Bischof Diyonasiyos.

Gottesdienst von sieben bis zehn Uhr

„Münster liegt zentral“, erklärt Pfarrer Beza Mengistu, warum die Wahl auf diese Stadt gefallen ist. „Unser Einzugsgebiet geht von Dortmund über Hamm bis Osnabrück. Wir haben hier bereits 200 Mitglieder, für die es aber sehr schwierig ist, wöchentlich die 125 Kilometer bis zur Gemeinde nach Düsseldorf zu fahren. Deswegen sind wir der Pfarrei überaus dankbar, dass wir hier Kirche und Gemeinderäume partnerschaftlich mitnutzen dürfen.“ Jeden Samstag feiert die Gemeinde von sieben bis zehn Uhr in St. Gottfried Gottesdienst.

Was für Mitteleuropäer befremdlich wirkt, ist für äthiopisch-orthodoxe Christen normal. Ebenso, wie die Schuhe auszuziehen, bevor der Kirchraum betreten wird. „Aus Respekt. Schließlich betreten wir heiligen Boden“, erläutert Mengistu. Auch bekreuzigen sich Frauen und Männer zu Beginn dreimal, knien nieder und küssen den Boden und ehren damit Gott in drei Personen: Gott Vater, Jesus Christus und Heiliger Geist. „Das ist Ausdruck unserer Spiritualität.“

Neues Pfingsterlebnis

Pastor Karsten Weidisch, Pfarrverwalter in St. Joseph Münster-Süd, zu der die Kirche St. Gottfried gehört, heißt die äthiopisch-orthodoxen Christen herzlich willkommen und freut sich sichtlich über den Zuwachs in seiner Gemeinde. „Wir freuen uns einfach, eine so junge und lebendige Kirche zu erleben. So stelle ich mir Pfingsten vor. Hier ist so viel Lebendigkeit zu spüren.“ Ein „neuer Mosaikstein der ökumenischen Weite prägt unsere Gemeinde“ in der auch polnische, spanische, tamilische und arabische Christinnen und Christen eine Heimat gefunden haben.

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