Heinz in Deutschland, Hans in Afrika

Priester-Zwillinge lebten auf zwei verschiedenen Kontinenten

Hans und Heinz Schmidt sind eineiige Zwillinge. Die Schule, das Messedienen, das Theologie-Studium: Alles machten sie gemeinsam. Doch nach dem Studium trennte sich der Weg der Brüder, und führte sie auf zwei verschiedene Kontinente.

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Anfangs waren die Gläubigen in Lippetal etwas irritiert, wenn einer der beiden Schmidts den Altarraum betreten hat. „Ist das nun Heinz oder Hans, der oben die Messe abhält?“, fragten sie sich. Mittlerweile fällt es ihnen leichter, die eineiigen Zwillinge zu unterscheiden. „Wer von uns beiden kommt, ist egal. Hauptsache, einer kommt“, sagt Heinz Schmidt. Sein Zwillingsbruder Pater Hans Schmidt von den Weißen Vätern nickt zustimmend. Insgesamt sind sich die 77-Jährigen einig darin, was sie sagen. Mal sprechen sie gleichzeitig, wechseln sich ab oder ergänzen sich.

1940 wurden Heinz und Hans Schmidt in Sendenhorst geboren. Heinz ist älter, „der Erstgeborene“, betont sein Bruder Hans. Zunächst sind sie auf die Volksschule gegangen und besuchten dann die „Missionsschule der weißen Väter“ in Großkrotzenburg in Hessen.

 

Alles gemeinsam

 

Dass sie Priester werden wollten, ergab sich von selbst: „Ich habe die Geschichte gehört und sie hat mich gepackt. Es ist nun mal so“, sagt Heinz. Sie seien in einem kirchlichen Milieu aufgewachsen, waren Messdiener, nahmen an Wallfahrten teil und führten ein religiöses Leben in Sendenhorst. 1962 machten sie ihr Abitur. Zweieinhalb Jahre studierten sie Philosophie und Theologie. Dann das Noviziat in Hörstel, Theologie-Studium im belgischen Löwen – alles immer zu zweit, alles mit dem gemeinsamen Ziel, als Missionare nach Afrika zu gehen.

Heinz entschied sich dann doch gegen Afrika und besuchte das Priesterseminar im Bistum Münster. Zum ersten Mal trennten sich die Wege der Zwillingsbrüder. Nach dem ­Diakonat in Recklinghausen-Süd wurde Heinz 1969 in Münster zum Priester geweiht. Vier Jahre war er Kaplan in Duisburg-Walsum, fünf in Henneberg und drei in Kamp-Lintfort.
Er schätzt es, dass er so lange Kaplan sein durfte und sich in der Kinder- und Jugendarbeit engagieren konnte: „Ich war ja selber noch jung. Es machte viel Spaß.“

Heinz war bei Ferien-Freizeiten dabei. Gemeinsam reiste er mit Jugendlichen in Zelten durch Frankreich und Italien oder sie machten Wintersport. „Meine Kaplansjahre waren wirklich sehr schöne Jahre. Heute ist das Berufsbild anders. Die Kapläne werden schneller Pfarrer, das ist wirklich schade. Kinder und Jugendliche erleben kaum noch junge Priester“, sagt Heinz Schmidt.

 

Keine Berührungsängste

 

22 Jahre lang war er nach seinen Kaplansjahren Klinikpfarrer in der psychiatrischen Landesklinik in Bedburg-Hau. „Ich habe mich dort für die etwa 1500 Patienten angeboten. Wir haben Gottesdienste gefeiert oder ich wurde bei Problemen gerufen. Ich habe den Menschen einen gewissen Halt gegeben.“

Heinz hatte bereits als Kaplan mit Menschen mit Behinderungen gearbeitet; Berührungsängste gab es also nicht mehr. In der psychiatrischen Klinik traf Heinz auch auf Straftäter: „Da dürfen Seelsorger keinen Unterschied machen. Wir ergreifen Partei für diese Menschen. Was sie einmal gemacht haben, muss ich nicht wissen. Die Opfer kannte ich nicht – und das ist auch gut so.“

Mit Mitte 60 wollte er noch einmal in die Nähe seiner westfälischen Heimat. Zuvor überlegte er zwar, ob er nicht doch seinen alten Traum von Afrika verwirklichen sollte, doch der Kongo-Krieg  und die dadurch resultierende schwierige Lage und große Not hielten ihn davon ab. Deshalb kam er 2004 nach Herzfeld und Lippborg.

 

Missionsarbeit im Ostkongo

 

Hans‘ Leben verlief nach dem Studium anders. 1969 weihte ihn ein Bischof, der in Afrika aktiv war, in Verl zum Priester. Dann ging es nach Afrika zur Missionsarbeit im Ostkongo am Kiwu-See an der Grenze zu Ruanda.

Seine Zeit in Afrika begann er mit drei Monaten Sprachstudium: Mashi, die Sprache der Bewohner, die er im Kontakt mit den Menschen vertiefte, und Kisuaheli. Es sei ihm nie schwer gefallen, die Sprachen zu lernen: „Die Leute haben viel Verständnis. Wenn man offen auf sie zugeht, gehen sie ebenso offen auf einen ein. Ich wurde gut akzeptiert.“

 

Große Pfarreien

 

Hans betreute mit mehreren anderen Missionaren riesige Pfarreien. Die Dörfer waren dicht besiedelt, erzählt er. Mit den Priestern verständigte er sich auf Englisch oder Französisch. Die Menschen seien in den Gemeinden sehr aktiv gewesen. Die Kirche war immer voll, erinnert sich Hans: „Den Gottesdienst besuchten 500 bis 600 Leute.“ Heinz hat seinen Bruder während seiner Zeit in Afrika oft besucht: „Es war wirklich eine sehr lebhafte Gemeinde auf hohem Niveau“, bestätigt er.

Wie haben es die beiden Zwillingsbrüder verkraftet, so lange getrennt zu leben? „Distanz schafft auch Nähe“, erklärt Heinz. Alle vier bis fünf Jahre konnte Hans für fünf Monate Heimaturlaub machen. „Als wir alle gesehen haben, wie gut es ihm dort geht und wie herzlich ihn die Menschen aufgenommen haben, war das kein Problem. Wir wussten, er ist gut aufgehoben. Er war wirklich einer von ihnen“, erklärt Heinz weiter.

 

Wieder vereint

 

„Afrika war mein Leben“, erinnert sich Hans zurück. 2010 erlaubte es ihm sein gesundheitlicher Zustand jedoch nicht, länger dort zu bleiben, und er musste Abschied nehmen: „Gefühlsmäßig bin ich da geblieben.“ Seitdem sind die Schmidt-Brüder wieder vereint: Hans arbeitete in der Pfarrei seines Bruders mit. Sie teilen sich eine Wohnung in Lippborg. Beide fühlen sich wohl: „Wir sind hier zu Hause und gehören zum Dorf; es könnte nicht besser sein. Hier wird man schnell integriert“, sagen die beiden.

Den Kontakt nach Afrika hält Hans weiterhin per E-Mail und Telefon. Er und sein Bruder sammeln darüber hinaus Spenden für Kriegswaisen in Goma, einer Großstadt im Kongo.
2013 wurde Heinz emeritiert. Auch Hans ist im Ruhestand. Die Zwillinge helfen trotzdem in der Pfarrei aus. Etwa zwei Messen übernehmen sie in der Woche. Ansonsten genießen sie ihren Ruhestand: Mit einer Rentner-Truppe unternehmen sie alle zwei Wochen Fahrrad-Touren durch die Region, „zugegeben, mit dem E-Bike“, ergänzen sie.

„Zu Fuß sind wir nicht mehr so gut unterwegs, aber mit dem Fahrrad klappt es.“ Jeden Freitag treffen sie sich zum Stammtisch. Für kleine Reisen geht es zum Beispiel an den Niederrhein. Für ihre Zukunft wünschen sich die beiden, dass sie gesund und zufrieden bleiben.

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