Katholische Kirche würdigt langjährigen Bundestagspräsident und CDU-Politiker

Zum Tod von Wolfgang Schäuble: "Ökumenisch gesinnter Protestant"

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Die katholische Kirche hat den gestorbenen CDU-Politiker Wolfgang Schäuble als "engagierten evangelischen Christen mit einer großen ökumenischen Gesinnung" gewürdigt. Der langjährige Bundestagspräsident starb am Dienstag mit 81 Jahren.

Die katholische Kirche hat den gestorbenen CDU-Politiker Wolfgang Schäuble als "engagierten evangelischen Christen mit einer großen ökumenischen Gesinnung" gewürdigt. "Seine ganze Politik war geprägt von Überzeugungen und Werten, die von christlichen Idealen geprägt waren", sagte der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, am Mittwoch auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Schäuble war am Dienstag im Alter von 81-Jahren gestorben.

Der ehemalige Bundestagspräsident habe der katholischen Kirche stets viel Wertschätzung entgegengebracht, so Jüsten. Davon zeugten sein Besuch beim damaligen Papst Benedikt XVI., seine regelmäßigen Kontakte mit Bischöfen sowie seine Teilnahme an vielen Katholikentagen.

Jüsten: Glaube gab Schäuble Halt

Sein Glaube habe ihm auch in den schwersten Stunden seines Politikerlebens Halt gegeben, erklärte Jüsten. "Davon sprach er nach dem erlittenen Attentat genauso wie in persönlichen Reflexionen über politische und menschliche Niederlagen und Demütigungen." 

Fleiß, Disziplin und Ausdauer seien seine hervorstechenden Tugenden gewesen. "Wer ihn persönlich erleben durfte, konnte eine sehr warmherzige, zugewandte und treue Persönlichkeit erleben, die sich bisweilen von seinem öffentlichen Bild unterschied, denn schroff konnte er auch sein."

Bätzing: “Ausnahmepolitiker”

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, würdigte Schäuble als “Ausnahmepolitiker” gewürdigt. “Mit seiner Persönlichkeit hat er Deutschland geprägt, mit unermüdlichem Einsatz, politischer Hingabe, visionärem Blick und mutigen Entscheidungen”, sagte der Limburger Bischof am Mittwoch auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd). 

Fünf Jahrzehnte von acht Lebensjahrzehnten habe Wolfgang Schäuble dem Bundestag angehört, erinnerte Bätzing: “Dabei hat er immer wohlwollend und konstruktiv-kritisch den Weg der katholischen Kirche in Deutschland begleitet. Dafür bin ich ihm zutiefst dankbar.”

Der Einsatz Schäubles zum Wohle Deutschlands und Europas könne nicht hoch genug geschätzt und gewürdigt werden. “Ob deutsch-deutscher Einigungsvertrag, Euro-Stärkung, Rettungsschirme oder eine Konsolidierung der bundesweiten Finanzen - in allen Themen war er zu Hause und zeigte eine Präsenz im öffentlichen Raum, die ihresgleichen sucht”, sagte Bätzing. Er verneige sich in Dankbarkeit und Respekt vor dieser "Persönlichkeit, dem Politiker, Christ und Mensch Wolfgang Schäuble", fügte Bätzing hinzu. 

“Parlamentarierer aus Leidenschaft”

Trotz Alter und gesundheitlicher Probleme - Wolfgang Schäuble konnte nie von der Politik lassen. Während andere längst ihren Ruhestand genossen, trieb der CDU-Politiker weiter der politische Gestaltungswille an. Als "Parlamentarier aus Leidenschaft" bezeichnete er sich einst selbst. Am Dienstag, dem zweiten Weihnachtstag, ist der gebürtige Freiburger nun im Alter von 81 Jahren im Kreis seiner Familie gestorben.

Von 2017 bis 2021 stand Schäuble noch als Bundestagspräsident für Ansehen und Würde des Parlaments ein, angesichts von rechtspopulistischen Ausfällen der AfD. Von 1972 bis 2023 war er 51 Jahre lang Mitglied des Bundestags und damit der am längsten amtierende Abgeordnete der deutschen Parlamentsgeschichte. Bei jeder Wahl konnte er das Direktmandat in seinem Heimatwahlkreis Offenburg in Baden-Württemberg erringen.

Ein junger Minister schreibt Geschichte

Der zweite von drei Söhnen des CDU-Abgeordneten Karl Schäuble im Badischen Landtag begann seine eigene politisch Karriere 1961 mit dem Eintritt in die Junge Union. Während des Studiums der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften wurde er RCDS-Vorsitzender in Freiburg und Hamburg. Seine steile Parteikarriere war aufs engste mit Helmut Kohl verbunden, der ihm zum Schicksal werden sollte. Nach dessen Wahl zum Bundeskanzler am 1. Oktober 1982 wurde Schäuble Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Kohl berief ihn später zum Chef des Kanzleramts und im April 1989 zum Bundesinnenminister.

In dieser Funktion fiel ihm die Mammutaufgabe zu, den Einheitsvertrag mit der DDR auszuhandeln. Der junge Minister schrieb Geschichte - und empfahl sich für Höheres. Bei der Debatte um den Regierungsumzug von Bonn nach Berlin galt seine Rede als Wendepunkt für das Votum für Berlin als Hauptstadt der wiedervereinigten Bundesrepublik. Um sich den Rücken frei zu halten, erklärte ihn Kohl 1997 schließlich zum "Kronprinzen" - für 2002.

“Tragischste Persönlichkeit”

Aber das zunehmend gespannte Verhältnis zerbrach mit der Parteispendenaffäre. Sie besiegelte das Ende der Ära Kohl. Schäuble selbst musste im Februar 2000 den Partei- und Fraktionsvorsitz niederlegen und zuschauen, wie die junge Angela Merkel an ihm vorbeizog. Der Historiker Hans-Peter Schwarz bezeichnete Schäuble einst als "fähigste und zugleich tragischste Persönlichkeit in der neueren CDU-Geschichte". Stets blieben ihm die höchsten Staatsämter - Bundeskanzler ebenso wie Bundespräsident - verwehrt, für die er zweifellos geeignet gewesen wäre.

Als Ressortchef unter Merkel gestaltete der Ausnahmepolitiker maßgeblich weiter die Geschicke Deutschlands mit. Mit der Islamkonferenz legte er die Grundlage für eine bessere Integration von Millionen Muslimen, auch gegen Vorbehalte in den eigenen Reihen.

Bis zuletzt mit großem Einfluss

Als Finanzminister navigierte er Deutschland durch die Finanzkrise. Zur Euro-Rettung kämpfte der überzeugte Europäer auch mit harten Bandagen. Für seine Verdienste um die "Wiedervereinigung und Neuordnung Europas" erhielt er 2012 den Aachener Karlspreis. Kritikern erschien Schäubles Pragmatismus bisweilen grenzenlos. Seine Sicherheitspolitik brachte ihm den negativen "Big Brother Award" ein. In der Bioethik plädierte er beim Embryonenschutz eher für Forschungsfreiheit und Einzelfallentscheidungen.

Wie groß sein politischer Einfluss noch ist, stellte er als Königsmacher von Friedrich Merz bei der Wahl zum CDU-Parteivorsitzenden im Frühjahr 2022 unter Beweis. Zu Schäubles Tod bezeichnete Merz ihn auf der Plattform X, ehemals Twitter, als "meinen engsten Freund und Ratgeber, den ich in der Politik je hatte".

Schäubles letztes Interview

In Bezug auf das Weltgeschehen drückte das christdemokratische Urgestein zuletzt jedoch Ernüchterung aus. In seinem am vergangenen Wochenende veröffentlichten und mutmaßlich letzten Interview in der "Welt" sagte Schäuble, dass er noch nie eine solche Krisenzeit wie aktuell erlebt habe. "Alle diese Krisen heute fallen zudem in eine Zeit, in der die Dominanz der westlichen Welt abnimmt, was die für uns ersichtlichen Gefahren nicht gerade kleiner macht." Die deutsche Gesellschaft rief er dazu auf, wieder länger zu arbeiten; "das Bewusstsein von Anstrengung, Fleiß und Arbeit", müsse wieder stärker in Erziehung und Bildung verankert werden.

Trotz düsterer Aussichten dürfe die Hoffnung jedoch nicht aufgegeben werden, sagte Schäuble der "Welt". Darin manifestierte sich auch sein christlicher Glaube. Dass dieser ihm persönlich gerade in schwierigen Momenten Kraft gab, hat der überzeugte Protestant mehrfach bekannt - nicht zuletzt mit Blick auf das Attentat 1990, seit dem er querschnittgelähmt ist. Kirche stehe für ihn zuerst für "Halt, Geborgenheit und Gemeinschaft", so Schäuble einst.

UPDATE: Präzisierung im vorletzten Absatz durch Agentur (mn/ 27.12.2023, 12:25)

UPDATE: Ergänzt um Reaktion Bätzing. (mn / 27.12.2023, 12.05)

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