Franziskusschwestern aus Vierzehnheiligen

Bayrischer Frauenorden bricht Schweigen: Gründer war Missbrauchstäter

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Der Gründer der Franziskusschwestern von Vierzehnheiligen war ein Missbrauchstäter, stand deshalb sogar vor Gericht. Am Dienstag, nach mehr als 120 Jahren, hat sich der Orden entschlossen, das Schweigen zu brechen.

Ein bayerischer Frauenorden hat am Dienstag öffentlich gemacht, dass sein Gründer vor mehr als 120 Jahren ein Missbrauchstäter war. Die Geschichte sei in einem Forschungsprojekt an der Universität Regensburg aufgearbeitet worden, teilte die Kongregation der Franziskusschwestern von Vierzehnheiligen mit. „Nur wer seine Vergangenheit wirklich kennt, hat eine Zukunft und kann diese gewaltfrei gestalten“, sagte Generaloberin Regina Pröls.

Die Nachforschungen hätten ergeben, dass sich der italienische Priester und Ordensgründer Peter Natili (1842-1914) in den Jahren 1899 und 1900 wegen sexuellen Missbrauchs in vier Fällen vor dem Münchner Amtsgericht verantworten musste. Natili habe demnach „mindestens drei der damaligen Schwestern sowie eine verheiratete Frau, die er aus der Beichte kannte, sexuell missbraucht“. Auch sei der Vorwurf im Raum gestanden, dass er selbst illegale Abtreibungen vorgenommen habe.

„Obwohl das Gericht den Zeuginnen glaubte, kam es zu keiner Verurteilung. Natili wurde jedoch in seine Heimat Italien ausgewiesen“, heißt es in der Mitteilung.

Generaloberin spricht von erschütternden Erkenntnissen

Die Theologin Magdalena Hürten habe für eine noch nicht veröffentlichte Doktorarbeit das vorhandene Aktenmaterial ausgewertet. Die Forscherin habe analysiert, wie die Schwesterngemeinschaft sowie staatliche und kirchliche Behörden mit den Berichten über den Missbrauch umgegangen seien. Wo die Betroffenen gehört und wo ihre Erfahrungen unsichtbar gemacht worden seien. Die Generaloberin sprach in diesem Zusammenhang von erschütternden Erkenntnissen.

Pröls fügte hinzu, bisher seien keine weiteren Missbrauchsvorwürfe gegen Angehörige der Kongregation bekannt. Zugleich rief sie etwaige Betroffene dazu auf, sich bei den Missbrauchsbeauftragten ihres Ordens oder des Erzbistums Bamberg zu melden.

Thema war lange Zeit in „Tabuzone“

Die Generaloberin räumte auf Nachfrage gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) ein, einzelne Mitglieder der Ordensleitung hätten schon seit Jahrzehnten „punktuellen Zugang“ zu den Informationen gehabt. Es habe aber Hemmungen gegeben, das Thema aufzugreifen. So sei eine „Tabuzone“ um den Gründer herum errichtet worden.

Vor vier Jahren habe sich die aktuelle Ordensleitung darauf verständigt, Licht ins Dunkel zu bringen und das Schweigen zu brechen. In der weiteren Aufarbeitung werde es auch darum gehen, das Leid der betroffenen Frauen zu würdigen und in angemessener Form daran zu erinnern. Ihre Kongregation lasse sich dabei durch externe Fachleute begleiten.

Franziskusschwestern mit 16 Konventen weltweit

Die Geschichte der Kongregation begann um 1890 in München. Dort gründete der Ordensmann Peter Natili mit Krankenschwestern einen Verein für Krankenpflege. Bald schlossen sich die Schwestern zu einer Gemeinschaft zusammen, lebten nach einer von Natili verfassten Regel. Ab 1913 nannten sie sich Franziskusschwestern, 1921 wurde die Gemeinschaft im Erzbistum Bamberg als Diözesankongregation anerkannt. Das Mutterhaus befindet sich im größten fränkischen Wallfahrtsort Vierzehnheiligen bei Bad Staffelstein.

Nach eigenen Angaben hat der Orden derzeit weltweit 121 Mitglieder. Die 16 Konvente verteilen sich auf Deutschland, Peru und Indien.

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