Experten-Diskussion zu religiöser Vielfalt

Khorchide in Münster: Wir brauchen mehr kritische Anfragen an den Islam

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Wie können verschiedene Religionen friedlich zusammenleben? Dieser Fragen gingen Experten wie Mouhanad Khorchide oder Detlef Pollack in Münster nach. Dabei wurde deutlich: Einfach ist es sicherlich nicht.

Gläubige aus verschiedenen Religionen müssen mehr miteinander reden, um Vorurteile zu überwinden und friedlich zusammenleben zu können. Das war der „rote Faden“ und zugleich die übereinstimmende Meinung der Experten bei der international besetzten Podiumsdiskussion am Sonntag im Erbdrostenhof in Münster. Das zentrale Thema: Umgang mit religiöser Vielfalt in offenen Gesellschaften. Wie verschiedene Religionen friedlich zusammenleben können.

Einfach ist das nicht mit dem miteinander reden, das wurde in den Kurzvorträgen und der Diskussion mit dem Publikum deutlich. Man müsse Vielfalt nicht nur anerkennen, sondern auch bereit sein, Vielfalt zu akzeptieren, betonte Professor Mouhanad Khorchide vom Zentrum für Islamische Theologie zum Beispiel mit Blick auf den Islam. „Wir brauchen mehr kritische Anfragen an den Islam.“ Nicht jeder, der Kritik am Islam äußere, hasse diese Religion. Der Wissenschaftler fordert dazu auf, „offen und sachlich miteinander zu diskutieren“ und auch auf vorhandene Ängste einzugehen. Das gelte für alle Beteiligten, und dazu gehöre es, die eigene Religion selbstkritisch zu betrachten und Respekt vor anderen Religionsgemeinschaften zu haben.

Pollack: Religiöse Vielfalt als Aufgabe der Gesellschaft

„Religion muss selbstkritisch werden“, betonte dazu Professor Detlef Pollack, ehemaliger Sprecher des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ an der Universität Münster. Der Religions- und Kultursoziologe erinnerte daran, dass 1950 in Deutschland 96 Prozent der Bevölkerung einer Religionsgemeinschaft angehörten. Der Anteil sei sehr viel geringer geworden, zugleich gebe es einen hohen Grad an religiöser Pluralität. Der Wissenschaftler sieht religiöse Vielfalt als Aufgabe offener Gesellschaften.

In Deutschland werde sehr viel getan, um die Gleichberechtigung der Religionsgemeinschaften zu erreichen. Dazu trügen die liberale Religionspolitik und das Recht auf Religionsfreiheit bei. Ein Drittel der Bevölkerung in unserem Land fühle sich allerdings durch die Vielfalt der Religionsgemeinschaften bedroht, dabei überwiege ein negatives Bild des Islam. Die unterschiedlichen Religionsgemeinschaften müssten aber miteinander auskommen. Also: Mehr aufeinander zugehen, mehr miteinander reden.

Politologin: Konflikte brauchen Kompromisse

Professorin Daniela Bonanno von der Universität Palermo skizzierte in ihrem Vortrag, wie religiöse Toleranz in der Antike gelebt wurde. Religion sei vor allem Pluralismus gewesen, sehr viele Götter hätten die Lebensumstände der Menschen bestimmt und seien deren Bedürfnissen entgegengekommen. Und außerdem: „Zwietracht wurde durch Amnestie überwunden.“

Als eine Möglichkeit, mit Konflikten umzugehen, stellte die Politologin Manon Westphal von der Universität Münster den Kompromiss heraus. Wechselseitige Zugeständnisse seien aber oft nur die zweitbeste Lösung. Die Pluralität an Weltanschauungen sei oft mit tiefen Meinungsverschiedenheiten verbunden. Es brauche viel Aufmerksamkeit, um Kompromisse zu finden, besonders in Zeiten zunehmender politischer Auseinandersetzungen. Wieder der „rote Faden“: Mehr miteinander reden.

„Westfälischer Frieden“ als bekannter Kompromiss

Als bekannten historischen Kompromiss hatte Manon Westphal den „Westfälischen Frieden“, der 1648 mit dem Friedensschluss in Münster und Osnabrück den Dreißigjährigen Krieg beendete. Die Verträge wurden am 18. Februar in Münster ratifiziert – genau 375 Jahre später nahmen die Stadt und die Universität am Sonntag das Thema Frieden im Hinblick auf das Zusammentreffen von verschiedenen Religionen auf. 

„Die Veranstaltung will den Dialog zwischen Wissenschaft und Bürgerschaft stärken und setzt das gemeinsame Engagement in den Bereichen Friedensforschung und Wissenschaftskommunikation fort“, so stand es in der Einladung. Die Diskussion machte deutlich, dass die Vorträge dazu beigetragen haben, diesen Weg weiter zu beschreiten.

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