Themenwoche 375 Jahre Westfälischer Frieden (1)

Vor 375 Jahren: Westfälischer Friede beendet deutsches Trauma

  • Sieben Jahre dauerten die Friedensverhandlungen.
  • Vor 375 Jahren beendeten die Friedensschlüsse von Münster und Osnabrück den Dreißigjährigen Krieg.
  • Deutschland war ein Schlachthaus. Die Auswirkungen reichen bis heute.

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Die „Heimat des Regens“ nannte er die Stadt. „Dicker Schmutz liegt meist an beiden Seiten der Straßen. Ja, oft sieht man dampfende Haufen von Mist.“ Die Rede ist von der Westfalenmetropole Münster um das Jahr 1648. Für den Päpstlichen Gesandten Fabio Chigi waren die zähen Friedensverhandlungen eine Zumutung. Bürger, trächtige Kühe und borstige Sauen lebten unter einem Dach. Der schlichte Westfale begnüge sich mit Schwarzbrot, schimpfte er.

Fünf Jahre lang mussten die 37 ausländischen und 111 deutschen Gesandten in Münster – und in Osnabrück – ausharren, bis sie am 24. Oktober 1648 den „Westfälischen Frieden“ ausgehandelt hatten und der Katastrophe des Dreißigjährigen Kriegs endlich ein Ende setzen konnten. Gegen 21.00 Uhr läuteten alle Glocken Münsters, die 70 Kanonen auf den Wällen Münsters je dreimal Salut. Seit Mai feiern Münster und Osnabrück den 375. Jahrestag dieses weltgeschichtlichen Ereignisses.

Unentwirrbares Knäuel von Konflikten

„Wir sind doch nunmehr gantz / ja mehr denn gantz verheeret!“, dichtete Andreas Gryphius. Ausgebrannte Städte, verwüstete Landstriche, millionenfacher Tod und ständig wechselnde Bündnisse: Der Dreißigjährige Krieg ist zur Chiffre für einen Sog von Gewalt geworden.

Der Krieg verwandelte die deutschen Lande in ein Schlachthaus. Aus einem lokalen Ereignis entwickelte sich ein scheinbar unentwirrbares Knäuel von Konflikten. Es ging um die Hegemonie in Europa. Alle wichtigen Akteure mischten mit: Franzosen, Habsburger, Schweden, Dänen, der Papst und sogar die Osmanen.

Religiöser Konflikt als Brandbeschleuniger

Im Reich rangen zudem Kaiser, Fürsten und die Städte um Macht – ein Konkurrenzkampf, der durch die tiefen religiösen Spaltungen verschärft wurde, wie der Berliner Politologe Herfried Münkler in seinem Standardwerk „Der Dreißigjährige Krieg“ schreibt. Obwohl die religiösen Gegensätze im Verlauf des Krieges immer mehr an Gewicht verloren, diente der Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken als Brandbeschleuniger.

Laut Berechnungen von Historikern gab es im damaligen Reich einen Bevölkerungsrückgang um ein Drittel: von 18 auf 11 Millionen Einwohner. Das stellt selbst den Ersten und Zweiten Weltkrieg in den Schatten. Allerdings kamen die meisten Menschen nicht durch direkte Kampfhandlungen, sondern durch Hungersnöte und Seuchen ums Leben.

Prager Fenstersturz als Auslöser

Auslöser des Kriegs war der Prager Fenstersturz: Am 23. Mai 1618 stürmten protestantische Adlige die Prager Burg und warfen kurzerhand die Statthalter des Königs aus dem Fenster. Böhmen war damals zu 90 Prozent protestantisch, und der Adel wollte die ungeliebte katholische Herrschaft loswerden.

Zwar überlebten die Beamten des Königs dank eines Misthaufens unter dem Fenster. Für Europa sollte dieser Sturz jedoch den Absturz in einen verheerenden Krieg bedeuten. Mit Hilfe der Spanier, des Papstes und der Bayern eroberte Kaiser Ferdinand II. Böhmen 1620 zurück. Damit jedoch weitete sich der Krieg zu einem europäischen Konflikt: Das protestantische Lager rief den dänischen König Christian IV. zur Hilfe. Als der sich 1629 geschlagen zurückzog, griff Schwedens König Gustav Adolf 1630 in das Geschehen ein. Frankreich, eigentlich katholisch, schlug sich auf die Seite der Protestanten. 1635 griff es aktiv in den Krieg ein.

Neue europäische Friedensordnung

Immer neue Heere marodierender Landsknechte zogen durch Deutschland. Der Krieg nährte den Krieg. Die Bevölkerung wurde ausgepresst wie eine Zitrone. Dieses „Trauma“ grub sich tief ins Bewusstsein der Deutschen ein – bis hin zur Friedensbewegung der 1980er Jahre. Es hat – von Grimmelshausens „Simplicissimus“ bis zu Schillers „Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“ – die nationale Identität mitgeprägt.

1643 endlich kamen Gesandte der kriegsführenden Länder in Münster und Osnabrück zusammen. Im Ergebnis schuf der Westfälische Friede eine stabile Ordnung für das Reich, in der die Konfessionen in einem System von Ausgleich und Parität wieder zusammenleben konnten und auch der Calvinismus als dritte Konfession anerkannt wurde. Der Kaiser verlor stark an Macht gegenüber den Landesherren.

Geschaffen wurde zudem eine europäische Friedensordnung, in der der lose Staatenverband des Reichs eine Art Puffer zwischen den entstehenden Nationalstaaten bildete. Die Niederlande und die Schweiz wurden unabhängig, Spanien verlor seine Machtposition, Frankreich und Schweden erhielten Reichsterritorien im Elsass, in Lothringen sowie Norddeutschland und Pommern. Der Friede wurde zum Vorbild für spätere Friedenskonferenzen, da er dem Prinzip der Gleichberechtigung und Souveränität der Staaten zur Durchsetzung verhalf.

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