Christen suchten und diskutierten über "Wege des Friedens"

Ökumenischer Kirchentag in Osnabrück feiert Westfälischen Frieden

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Münster und Osnabrück, die Städte der damaligen Friedensverhandlungen, feiern 375 Jahre Westfälischen Frieden. Weil dieser 1648 auch ein Religionsfriede war, organisierten die Kirchen in Osnabrück einen Kirchentag. Tausende Christen suchten und diskutierten über "Wege des Friedens".

"Erzählen Sie das den Menschen in Butscha. Da kriege ich Zornestränen in die Augen..." Für einen Moment ringt Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im voll besetzten Dom seiner Heimatstadt Osnabrück mit der Fassung. Gewaltfreier Widerstand in der Ukraine? "Ich kann nicht, sorry!" Das provozierende Stichwort kam vom langjährigen Generalvikar des Bistums Osnabrück, Theo Paul.

Der sogleich klarstellt: Er wolle den Ukrainern angesichts russischer Angriffe nicht zu gewaltfreiem Widerstand raten. Aber man solle zumindest zur Kenntnis nehmen, dass es so etwas in der Ukraine vereinzelt gebe. "Warum sind wir heute bereit, einer anderen Logik - jener der Waffen - so gerne zu folgen?", fragt Paul bei einer Diskussion über Politik, Kirchen und Krieg. "Es gibt auch andere Wege; sonst kommen wir aus dieser Sackgasse nicht wieder heraus."

Vorsichtige Aussagen zur Ukraine

Wie beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg äußern sich Kirchenvertreter, oft aktive Mitglieder der Friedensbewegung der 1980er Jahre, beim Ökumenischen Kirchentag in Osnabrück vorsichtiger. "Was ich in der Ukraine erlebt habe, macht mich noch unsicherer bei Ratschlägen", gesteht Hannovers evangelischer Landesbischof Ralf Meister. Im Moment könne er Ukrainern gegenüber noch nicht über Versöhnung sprechen.

Beim ökumenischen Abschlussgottesdienst auf dem Marktplatz am Sonntag warb Weihbischof Johannes Wübbe nochmals für Versöhnung und Friedensgespräche, "auch wenn der Weg nicht immer sofort klar ist". Christen dürften vertrauen: "Gott gibt den Menschen nicht auf; er vertraut darauf, dass sich Wege der Hoffnung und des Friedens zeigen."

Lob für Engagement der Christen und der Kirchen

Im Dom am Samstag waren Pistorius und Altbundespräsident Christian Wulff auch gefragt worden, ob sie die austrittsgeschwächten Kirchen noch als Partner für die Politik und Stütze der Gesellschaft erlebten. Ja, lautet die klare Antwort. Ohne die großartige Arbeit kirchlicher Institutionen und das Engagement zahlreicher Christen könnten viele Herausforderungen nicht gestemmt werden.

Den Einwand, oft beschäftigten die Kirchen sich zu viel mit sich selbst, relativierte Theo Paul. Es gebe eben Probleme, die dringend angegangen werden müssten. Das war auch auf den Missbrauchsskandal gemünzt, dem der Kirchentag drei gut besuchte Veranstaltungen widmete. Neben Kritik an schleppender Aufarbeitung und mangelndem Reformwillen der katholischen Kirche ging es auf einem Podium auch um die evangelische Kirche.

Missbrauch auch in der evangelischen Kirche

Deren systemische Ursachen für sexualisierte Gewalt seien andere, so Landesbischof Meister. Anders als in der katholischen Kirche mit Zölibat und zentralisierter Macht sei die evangelische Kirche stolz auf ihre Freiheit. Leider habe eine "groß herausgekehrte" Freiheit, auch nicht erlaubte Dinge zu tun, eine Übergriffskultur begünstigt, die noch aufgearbeitet werden müsse. Bereits am Freitag hatten Menschen zentral vor der Rathaustreppe eine Mauer symbolischer Steine errichtet, die das Leben Betroffener belasten und verbauen.

Insgesamt zählten die Veranstalter eine fünfstellige Zahl von Menschen bei den rund 100 Angeboten in der Innenstadt. Über sozialverträgliches ökologisches Wohnen als "Klimaschutz, der allen nutzt" etwa unterhielt sich Osnabrücks Oberbürgermeisterin Katharina Pötter (CDU) mit Vertretern der Caritas und der katholischen Wohnungsbaugesellschaft Stephanswerk. Angesichts der Debatten um das geplante Heizungsgesetz fand das Thema große Resonanz.

Eucharistische Gastfreundschaft

Am Samstagabend predigten bei Gottesdiensten in vier Kirchen Vertreter einer jeweils anderen Kirche. Zudem waren offiziell Mitglieder anderer Konfessionen zur katholischen Eucharistie und dem evangelischen Abendmahl eingeladen. Dies sei ein "starkes Zeichen und ein Novum" gewesen, so der evangelische Superintendent Joachim Jeska. In einer katholischen Messe die Eucharistie gereicht zu bekommen, "war ein Höhepunkt in meinem Leben in der Kirche", sagte er.

Der Kirchentag endete mit jenem Choral, der auch vor 375 Jahren auf dem Osnabrücker Marktplatz gesungen wurde: "Nun lob, mein Seel', den Herren". Am 25. Oktober 1648 war von der Rathaustreppe aus der Westfälische Frieden verkündet worden. Der erste diplomatisch ausgehandelte Friede in Europa, so Oberbürgermeisterin Pötter, der den Kontinent bis heute präge.

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