Stefan Leifert beim „Abend der Caritas“

Künftiger „heute journal“-Chef: Bei Europawahl steht viel auf dem Spiel

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Der künftige Chef des ZDF-„heute journal“ sieht die EU vor einer Schicksalswahl – und warnt vor erstarkenden „Anti-Europäern“.

Mit mahnenden Worten hat der künftige Chef des ZDF-„heute journal“ Stefan Leifert auf die Bedeutung der am 6. bis 9. Juni anstehenden Europawahl hingewiesen. Bei dieser „Schicksalswahl“ stehe mehr auf dem Spiel, es gehe um Grundsätzlicheres als sonst. „Nie war die Gefahr so groß, dass Parteien Mehrheiten sammeln, die gar keine Wahl zum Europäischen Parlament mehr wollen“, sagte der Journalist bei einem Vortrag in der Katholischen Akademie Stapelfeld (KAS) in Cloppenburg am Dienstagabend.

So unterschiedlich Europas Rechtspopulisten auch seien, eines hätten sie gemein: Den Wunsch nach einer Rückabwicklung der EU bis hin zur Zerschlagung der Institutionen oder den Austritt Deutschlands aus der EU und der Währungsunion, wie es etwa die AfD in ihren Programmen formuliere. „Eine echte Idee, wie Europa aussehen könnte, haben sie nicht“, so Leifert weiter. Das sei umso bedrohlicher, als die „Front der Anti-Europäer“ nach der Wahl noch einmal stärker werden könne als beim letzten Mal, was zu einer Selbstblockade des Europäischen Parlaments führen könnte.

Gewaltige Aufgaben

Das sei besonders problematisch, da Europa in den kommenden fünf Jahren vor gewaltigen Aufgaben stehe. Leifert nannte als Beispiel den Umgang mit dem Thema Zuwanderung: „Migration politisch zu regulieren, geht, wenn man es ernst meint und nicht populistisch ausschlachten will, nur europäisch.“

Genau auf diesem Arbeitsfeld sieht Leifert in der jüngsten Einigung auf eine Reform des europäischen Umgangs mit dem Thema Asyl ein ermutigendes Signal. „Die Mutter aller Streitthemen der letzten Jahre ist zum ersten Mal in einen Konsens überführt worden. Er wird nicht alle Probleme lösen, sendet aber ein Lebenszeichen aus der Brüsseler Kompromissmaschine.“ Nach Leiferts Ansicht ist das ein wichtiger Erfolg. Denn: Wenn die EU hier Handlungsfähigkeit beweise, dann „nimmt sie ihren ärgsten Feinden viel Wind aus den Segeln“.

EU braucht neue Rolle

Wie wichtig das sei, machte der langjährige ZDF-Korrespondent in Brüssel in Cloppenburg auch anhand von Zahlen deutlich: „In einer Zeit, in der nur noch 7,8 Prozent der Weltbevölkerung in einer vollständigen Demokratie leben und sich diese Staatsform auf dem Rückzug befinde, stehe die EU von innen unter gewaltigem Druck“.

Doch auch nach außen muss Europa nach Leiferts Ansicht künftig eine neue Rolle finden. Europa müsse erwachsen werden. Zum Beispiel wirtschaftlich: Man müsse lernen, seine Macht als größter Wirtschaftsraum der Erde zu nutzen. Auch die Sicherheitspolitik brauche dringend ein Umdenken. Leifert nannte als Beispiel die Ausrüstung der Streitkräfte. Sie seien nicht nur unzureichend und teilweise unbrauchbar ausgerüstet. Die Waffensysteme passten auch nicht zueinander. „In Europa gibt es über 180 verschiedene, in den USA nur 30.“

Leifert, der am 1. August zum „heute journal“ nach Mainz wechselt und derzeit das ZDF-Landesstudio Bayern in München leitet, sprach in Cloppenburg vor rund 100 geladenen Gästen beim oldenburgischen „Abend der Caritas“. Der oldenburgische Landes-Caritasverband bringt zu dieser Veranstaltung einmal im Jahr regionale Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Verwaltung zusammen.

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