Judith Könemann zu gemeinsamen Bildungs-Chancen

Lückenfüller statt Augenhöhe: Schulen missachten Jugendverbände

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Die Zielgruppe ist bei beiden dieselbe: Kinder, Jugendliche, junge Leute. Eine ganze Reihe Ziele auch. Warum also arbeiten Schulen und katholische Jugendverbände nicht besser zusammen? An den Jugendverbänden liegt es nicht, sagt Judith Könemann, Professorin für Religionspädagogik in Münster, in ihrem Gast-Kommentar.

Eine Weile schien es so, als würde zwischen Schule und kirchlicher Jugendarbeit eine neue Liebe entstehen, hoffte man auf wechselseitige Synergieeffekte, Ganztagsangebote seitens der Jugendverbände für die Schulen auf der einen Seite und Kontakt zu jungen Menschen und zum System Schule auf der anderen. Eine ganze Reihe von Projekten zur Zusammenarbeit wurden initiiert, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Osnabrück richtete sogar eine eigene Koordinierungsstelle ein.

Leider scheint die Liebe wieder etwas abgekühlt zu sein, da die Erfahrungen offensichtlich nicht so sind, wie sich vor allem die Jugendverbände erhofften. Das ist angesichts der jeweiligen Gründe nachvollziehbar, gleichwohl aber sehr bedauerlich, da sich beide Seiten viel zu bieten hätten.

Mehr als willkomene Betreuungsangebote

Dazu müssten allerdings die Schulen die Angebote der Jugendverbände nicht nur als willkommene Betreuungsangebote für den Ganztag sehen, sondern auch in ihrem pädagogischen Potenzial wertschätzen können und sie zum Beispiel auch in die eigene konzeptionelle Arbeit am Schulprofil oder in Schulentwicklungsprozesse einbeziehen. Das geschieht leider viel zu wenig und degradiert die Jugendverbänden und ihre Angebote oft genug zu Lückenfüller im Ganztag.

Die Autorin
Dr. Judith Könemann, Professorin für Religionspädagogik, Bildungs- und Genderforschung sowie Co-Leiterin der Arbeitsstelle Theologische Genderforschung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Sie veröffentlichte jüngst zusammen mit Claudia Gärtner, TU Dortmund, eine Studie zu „Kirchlicher Jugendarbeit in der Ganztagsschule“.

Für die Jugendverbände gilt es noch stärker als bisher, zu überlegen, wie sie ihr spezifisch pädagogisches Profil noch stärker in die Schule einbringen können, ohne dieses in den jeweiligen subjektiven Theorien als Gegenüber zur Schule profilieren zu müssen, sondern vielmehr als Bereicherung durch einen anderen Ansatz und andere Angebote, die die Schule nicht leisten kann.

Demokratie, Nachhaltigkeit, Gendergerechtigkeit

Gerade weil (kirchliche) Jugendarbeit und Schule auf der übergeordneten Ebene die gleichen Ziele verfolgen, wie zum Beispiel die Bildung zur Demokratiefähigkeit, Bildung zur Nachhaltigkeit oder Gen­dergerechtigkeit gibt es eine ganze Reihe gemeinsamer Anknüpfungspunkte zwischen beiden Playern.

So lange jedoch die Jugendverbände die größeren Anpassungleistungen gegenüber der Schule erbringen müssen und die Schulen nicht bereit sind, sie als eigenständige Player auf Augenhöhe zu akzeptieren, werden sich beide eher wieder auseinander- als aufeinander zu bewegen. Für die gemeinsam zu erreichenden Ziele wäre dies höchst bedauerlich.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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