Spanische Stadt kämpft gegen den "Overtourism"

Santiago de Compostela erwägt Touristensteuer – auch für Jakobspilger

  • In Santiago de Compostela müssen Besucher in Zukunft wohl tiefer in die Tasche greifen.
  • Zur Diskussion steht eine Touristensteuer für Übernachtungsgäste.
  • Das spanische Santiago ist Ziel der Jakobspilger.

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"Santiago de Compostela ist zu einem Phänomen der Massen geworden", sagt Fremdenführer Francisco Esteban Palomo. "Wir sind nur 100.000 Einwohner, aber pro Jahr kommen mittlerweile sechs Millionen Besucher." Die Stadt ächzt unter dem "Overtourism".

Nun hat die Stadtregierung eine Debatte darüber angestoßen, Gäste stärker an den allgemeinen Kosten zu beteiligen. Nämlich durch die Einführung einer Touristensteuer, wie sie Reisende in Spanien bereits auf Mallorca und in Barcelona entrichten müssen.

Jakobspilger wären betroffen

In Santiago beträfe das auch die Vielzahl der Jakobspilger. "Es handelt sich um eine der ersten Maßnahmen, die das Rathaus von Santiago plant, um die Massenbewegung einzudämmen und den Qualitätstourismus anzukurbeln", hieß es beim spanischen Nachrichtensender "Antena 3".

Die Höhe der geplanten Abgabe könnte sich nach der Unterkunft richten: Wer sich in einem Sterne-Hotel bettet, zahlt mehr als in einer Pension oder Pilgerherberge. Doch hier scheiden sich die Geister, denn die Touristensteuer soll nur für jene gelten, die in Santiago de Compostela übernachten.

Was ist mit den Tagesgästen?

Das empfindet Carlos Regueiro vom Vorstand des örtlichen Hotelverbands "Asociacion Hosteleria Compostela", der 600 Mitglieder hat, als ungerecht: "Über Tag kommen viele Ausflügler, die hier nicht übernachten und nichts zahlen, aber alles in der Stadt nutzen. Gerade für die sollte man eine Abgabe einführen."

Zu den Ankömmlingen über Tag zählen auch Kreuzfahrttouristen, die von den Atlantikhäfen zu organisierten Landausflügen starten. Wie man von Kreuzfahrern eine Abgabe kassieren könnte, ist Regueiro allerdings schleierhaft.

Geplante Preise

"Für Santiago de Compostela sehe ich für die Einführung einer Touristensteuer keine Notwendigkeit. Das ist der allgemeine Tenor unter den Hoteliers", sagt der Unternehmer und Hotelbesitzer.

Im Raum stehen 2,50 Euro pro Nacht und Person in einem höherklassigen Haus, 1,50 Euro in einem Appartement, 50 Cent für Camping- und Pilgerherbergsgäste. Reisende bis 18 Jahre sollen nichts zahlen und die Steuer auf sechs Nächte begrenzt sein - wobei selbst der gläubigste Jakobspilger kaum länger in der Stadt bleibt.

Fließt das Geld in mehr Sauberkeit, Sicherheit und Co.?

Insgesamt geht es um eine stattliche Millionen-Einnahme. Regueiro fragt, wohin sie letztlich flösse und ob sie wirklich dem Tourismussektor zugute käme, wie Befürworter argumentieren. Geht es wirklich um ein Plus an Sauberkeit und Sicherheit, die Pflege des Kulturerbes? Oder will man aus dem Massentourismus zusätzliches Kapital schlagen?

Das jüngste Beispiel der Überflutung mit Gästen zeigt sich seit Mitte des Jahres durch die Wiedereröffnung des Zugangs zur Figur des Jakobus im Hochaltar der Kathedrale. Dort schlingt man die Arme traditionell um die Skulptur.

Der jüngste Ansturm

"Abrazo del Apostol", "Umarmung des Apostels" heißt der Ritus auf Spanisch, der in Corona-Zeiten nicht möglich war. Fremdenführer Palomo sieht täglich eine Warteschlange, die sich bis zu 700 Meter durch die Gassen der Altstadt windet. Pilger sind ebenso vertreten wie gewöhnliche Besucher.

Doch wo ließe sich hier der Bogen zur Stärkung des so genannten Qualitätstourismus spannen? Eine Abgabe dürfte die Schlange nicht verkürzen, aber die Arbeitszeiten des Personals in den Unterkünften durch den bürokratischen Aufwand verlängern.

Das könnte zu weiteren Preissteigerungen führen. "Die Steuer wird niemanden davon abhalten, hierhin zu reisen", ist Hotelier Regueiro überzeugt. Die finale Entscheidung und ein Zeitpunkt für die mögliche Einführung der Abgabe sind bislang nicht bekannt.

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