ZdK-Präsident zu Gast in Kevelaer

Sternberg: „Barmherzigkeit ist mehr als Sentimentalität“

„Auf das auf Barmherzigkeit fußende soziale Handeln in Europa können wir stolz sein“, rief Sternberg den Zuhörern in der Marienbasilika zu.

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Die Barmherzigkeit ist für Thomas Sternberg, den Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), ein Grundimpuls des christlichen Europas. In der Basilikastunde am Mittwoch (21.09.2016) in Kevelaer erinnerte Sternberg daran, dass aus dem Impuls der Barmherzigkeit die soziale Ordnung und damit auch das Krankenhauswesen in Europa hervorgegangen seien. „Auf das auf Barmherzigkeit fußende soziale Handeln in Europa können wir stolz sein“, rief Sternberg den Zuhörern in der Marienbasilika zu.

Insofern sei es ein kluger Schritt des Papstes gewesen, das Heilige Jahr unter das Motto der Barmherzigkeit zu stellen. Sternberg erinnerte an die Dankesrede des Papstes zur Verleihung des Karlspreises 2016 an ihn selbst. In seiner Ansprache habe der Papst auf die Fähigkeiten Europas hingewiesen. Dialog, Integration und Kreativität seien die Kriterien gewesen, auf die die Gründerväter Europa aufgebaut hätten. Diese gelte es wieder zu beleben, forderte Sternberg. „Wir dürfen uns nicht abkapseln und festhalten, was uns zwischen den Fingern zerrinnt“, sagte Sternberg.

 

Glauben braucht Leidenschaft

 

Barmherzigkeit sei mehr als Sentimentalität, erläuterte der ZdK-Präsident. Schon der Münsteraner Theologe Johann Baptist Metz, Begründer der Politischen Theologie, habe in seinem Buch Compassion darauf hingewiesen, dass Barmherzigkeit eine Leidenschaft sein müsse. Sie müsse aus dem Herzen kommen. Nicht sentimental, sondern tiefergehend als ein Gefühl. Eine solche Leidenschaft brauchen wir nach der Ansicht von Sternberg, um den christlichen Glauben zu verstehen.

Sternberg erinnerte daran dass die Barmherzigkeit nicht nur bei den Christen und Juden verankert sei. „Auch im Islam in seiner wahren Form ist die Barmherzigkeit grundgelegt. Der Gott des Korans ist ein barmherziger Gott“, sagte Sternberg. Es gehe nicht ohne Barmherzigkeit. Im Sozialstaat habe Barmherzigkeit eine „bahnbrechende Funktion“. Ohne Barmherzigkeit gebe es keine weitreichende Gerechtigkeit. Barmherzigkeit verändert nach der Erfahrung des früheren Direktors der Bischöflichen Akademie Franz-Hitze-Haus auch die Einstellung und Haltung der Menschen.

 

„Was können wir tun, damit sie nicht ertrinken?“

 

„Die, die Flüchtlingsarbeit geleistet haben, sind nicht mehr anfällig für einfache Parolen“, sagte er in Bezug auf die zunehmende Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. Was christliche Frauen und Männer in dem vergangenen Jahr in der Flüchtlingsarbeit erfahren hätten, mache sie immun gegen „einfache Lösungen“.

Sternberg stellte den Zuhörern zwei Vorbilder christlichen Glaubens vor Augen. Die vor wenigen Wochen heiliggesprochene Mutter Teresa aus Kalkutta habe auf die Frage, warum sie sich um die Sterbenden kümmere und nicht die Strukturen der Armut bekämpfe, geantwortet: „Helfen sie, dass die Armen Häuser bekommen, ich kümmere mich weiter darum, dass die Armen nicht durch das Netz fallen.“ Sternberg erinnerte auch an die erste Reise von Papst Franziskus nach Lampedusa. Er habe Europa in Gewissen gesprochen als er mahnte. „Die, die dort ertrinken, ertrinken vor unserer Haustür.“ Sternberg führte den Gedanken weiter: „Was können wir tun, damit sie nicht ertrinken?“

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