Alle Beteiligten im Overberg-Kolleg in Münster halfen mit

Tod eines Schülers im Lockdown: So meisterten Schulseelsorger die Situation

  • Der Corona-Lockdown und der Distanzunterricht waren auch für die Schüler, Lehrer und Seelsorger am Overberg-Kolleg in Münster eine große Herausforderung.
  • Als ein Schüler starb, mussten alle Beteiligten ungewohnte Wege gehen, um die Situation aufzufangen.
  • Die Schüler empfanden die vielen Angebote der Aufarbeitung als „Nähe trotz digitaler Distanz“.

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Als im März 2020 der erste Corona-Lockdown beschlossen wurde, konnte Marietheres Eggersmann-Büning kaum ahnen, was auf sie als Schulseelsorgerin am Overberg-Kolleg in Münster zukommen würde. Sie reiste gerade von einer Fortbildung auf der Nordseeinsel Wangerooge zurück und kam in eine Stadt, die wie ausgestorben schien. Sie erinnert sich gut an die Worte des abendlichen Nachrichtensprechers, dass Deutschland im „Angesicht von Corona“ lebe. „Nein, im Angesicht Gottes leben wir“, waren ihre Gedanken. Ohne zu wissen, für welche Herausforderungen das Seelsorge-Team in dem Weiterbildungskolleg des Bistums Münster dieses Vertrauen brauchen würde.

Die grundsätzliche Aufgabe blieb für sie und ihren evangelischen Kollegen Holger Bauer die gleiche wie in Zeiten ohne Corona: „In Kontakt sein, Ermutigung und Zuversicht zusprechen, an der Seite derer sein, die Sorgen haben, einen Blick haben für jene, die Begleitung besonders brauchen.“ Im Distanz-Unterricht aber griffen die gängigen Angebote nicht. „Wir mussten kreativ sein, immer schauen, welche Angebote von wem gerade gebraucht wurden. Das galt vor allem für den Moment, als im Februar 2021 ein Studierender des Kollegs starb.

 

Kontaktaufnahme musste schnell gelingen

 

„Wie sollen wir den Mitstudierenden der Jahrgangsstufe diese Nachricht übermitteln?“, war die zentrale Frage, die sich das Seelsorge-Team stellte. Und: „Wie können wir in dieser Extremsituation für sie da sein?“, formuliert Holger Bauer eine große Unsicherheit. Denn die gängigen Methoden, die in solchen Momenten wichtige Hilfsmittel sind, waren durch den Distanzunterricht nicht möglich. „Wir haben intensiv überlegt, wie wir auf die Studierenden zugehen.“

Die Kontaktaufnahme musste schnell gelingen, denn eine Verbreitung der traurigen Nachricht über andere Wege hätte viele Probleme gebracht. „Wir hätten nicht mitbekommen, wie die Betroffenen reagieren, hätten keine unmittelbaren Hilfen anbieten können“, sagt Eggersmann-Büning. Sie entschieden sich für eine Video-Konferenz. „Die Form des Zusammenkommens hatte sich im Lockdown etabliert und ließ mittlerweile das Gefühl der Gemeinschaft zu.“

 

Genaues Hinschauen in der Video-Konferenz

 

Das Hauptaugenmerk der Seelsorger lag auf den Reaktionen der Schüler. „Wir wollten wahrnehmen, wer von der Nachricht hart getroffen wurde“, sagt Bauer. „Wir schauten genau hin, wie es den Teilnehmern an der Video-Schalte ging, wer sich frühzeitig ausloggte, wer unsicher wirkte.“ Auch das Wissen über den engeren Freundeskreis des Verstorbenen war ihnen dabei eine Hilfe. Es ging darum, direkten Kontakt zu denen aufzunehmen, die in diesem Moment besondere Begleitung benötigten – ob per Telefonat, per Chat oder im persönlichen Treffen, für die die Seelsorger an jenem Tag in der Schule bereitstanden.

Es war ein Glücksfall, dass einige Tage später der Präsenzunterricht wieder möglich wurde. Denn die Trauer der Studierenden brauchte noch Zeit und Raum. Die Angebote dafür waren vielseitig. „So unterschiedlich die Studierenden sind, so unterschiedlich sollten unsere Ansprachen sein“, sagt Eggersmann-Büning. In der Kapelle wurde ein Trauerort mit Kerzen und Trauerbuch eingerichtet, Einzelgespräche auf Spaziergängen um den nahegelegenen Aasee waren möglich. Zu einer gemeinsamen Gedenkfeier trafen sich Studierende und Lehrer auf der Wiese vor dem Kolleg. „Das alles war eine riesige Herausforderung, die wir nur gemeinsam mit dem Krisenteam des Kollegs, der Stufenleitung und der schulpsychologischen Beratungsstelle bewältigen konnten.“

 

Menschen mit Sorgen, nicht nur Schüler mit technischen Problemen

 

Die Studierenden erlebten diese Angebote so, wie sie die Seelsorge im gesamten Lockdown wahrgenommen hatten. „Wir waren nicht allein Schüler, die mit der Technik kämpften mussten, die mit dem Unterrichtsstoff rangen und die nebenbei noch die privaten Herausforderungen der Pandemie meistern mussten – wir wurden als Menschen wahrgenommen, die in all ihren Sorgen begleitet wurden“, sagt Annika Niehues, die am Kolleg gerade ihr Abitur macht. Ihr Mitschüler Lennart Herwig erlebte das „wie eine ausgestreckte Hand, die bei aller Distanz dieser Zeit eine große Nähe schaffte“.

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