Klage gegen das Erzbistum München und Freising

Traunsteiner Missbrauchsprozess: Zwei Psychiater sagen über Opfer aus

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Im Traunsteiner Schmerzensgeldprozess gegen das Erzbistum München haben zwei Psychiater ausgesagt, die den Kläger behandelt oder begutachtet haben. Der Mann hatte als Grundschüler sexualisierte Gewalt erlitten.

Vor dem Landgericht Traunstein ist der Schmerzensgeldprozess eines Missbrauchs-Betroffenen gegen die katholische Kirche fortgesetzt worden. Bei der Beweisaufnahme wurden zunächst zwei Psychiater gehört, die den Kläger behandelt oder begutachtet haben. Dessen Mutter verweigerte die Aussage.

Demnach entwickelte der Mann nach einem im Grundschulalter erlittenen sexuellen Missbrauch durch den damaligen Pfarrer von Garching an der Alz eine schwere Suchtproblematik und Persönlichkeitsstörung. Im Alter von zwölf Jahren begann es mit Alkohol, danach folgten Cannabis, Beruhigungsmittel, später auch Heroin, Kokain und LSD. Er habe damit die Bilder der Tat aus dem Kopf bringen und sie verdrängen wollen. Zwischen Gefängnisaufenthalten und Entzugsversuchen habe es immer wieder kurze Phasen der Enthaltsamkeit gegeben.

Missbrauch als Mitursache?

Den Aussagen der Ärzte zufolge kommt der Missbrauch als eine Mitursache für die späteren Probleme des heute 39-Jährigen in Betracht, aber nicht als alleiniger Grund. Die Familienverhältnisse seien durch die Scheidung der Eltern kurz nach seiner Geburt schwierig gewesen.

Der Junge habe schon als Sechsjähriger Verhaltensauffälligkeiten ausgebildet und sei deshalb tageweise in einer Pflegefamilie gewesen. Insofern habe der Kläger bereits über „ruhende Anlagen“ für eine spätere Suchterkrankung verfügt.

Ansicht einer Gutachterin

Der Kläger habe über das Erlittene erst ab 2010 sprechen können, nachdem Zeitungsberichte über den Missbrauchstäter erschienen waren. Daraufhin habe er einen Antrag nach dem Opferentschädigungsgesetz gestellt.

Die Gutachterin des Münchner Versorgungsamtes, Ursula Münch, sagte aus, sie habe die Suchterkrankung als eine Folge des Missbrauchs anerkannt, auch wenn dieser nicht ursächlich für das gesamte Ausmaß des Schadens sei. In Deutschland sei es die Lehrmeinung, dass Suchterkrankungen durch viele Faktoren bedingt seien und in keinem Fall linear auf ein einziges Geschehen zurückgeführt werden könnten.

Weiteres Gutachten beauftragt

Eine Gerichtssprecherin sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), ein vom Gericht bestellter Sachverständiger solle nun ein Gutachten dazu erstellen, ob die Sucht- und psychischen Probleme des Mannes auf den Missbrauch durch den früheren Priester Peter H. zurückzuführen sind. Der Sachverständige werde einige Zeit zur Erstellung des Gutachtens benötigen, dieses dann an das Gericht schicken, von dort aus werde es an die einzelnen Verfahrensbeteiligten weiterverteilt. Anschließend entscheidet das Gericht, ob und wann eine weitere mündliche Verhandlung angesetzt oder ob eventuell schriftlich entschieden wird.

Im Juni 2022 hatte der Kläger, ein Opfer des Missbrauchstäters und früheren Priesters Peter H., eine Feststellungsklage am Landgericht Traunstein eingereicht. Diese hatte für große Aufmerksamkeit gesorgt, denn die Klage richtete sich nicht nur gegen das Erzbistum München, sondern unter anderen auch gegen den früheren Papst Benedikt XVI.

Position des Erzbistums

Das Verfahren gegen Benedikt wurde abgetrennt und vorübergehend ausgesetzt, weil nach wie vor keine Erben ermittelt werden konnten. Der Betroffene fordert 300.000 Euro Schmerzensgeld vom Erzbistum.

Die Erzdiözese hatte die Forderung am ersten mündlichen Verhandlungstag im Juni 2023 abgelehnt und eine Abweisung der Klage des Mannes beantragt. Man sei aber „zu einer angemessenen Lösung“ und Schmerzensgeldzahlung bereit, teilte das Erzbistum damals mit. Die Vorsitzende Richterin der 5. Zivilkammer, Elisabeth Nitzinger-Spann, hatte zu Beginn der Verhandlung „dem Grunde nach“ den Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld bejaht.

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