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Gott! - Kein Name sei so besudelt und missbraucht wie dieser Name; so ähnlich hat es der große Theologe unseres Jahrhunderts, Karl Rahner, formuliert, man wird dieser Beobachtung nur zustimmen können - mit Bedauern. So, wie viele Menschen mit dem Namen „Gott“ umgehen, würden sie es mit einem Menschen-Namen niemals machen.
Wenn Franz Beckenbauer nicht selten die Antworten eines Interviews beginnt mit den Worten „Ach, mein Gott!“ oder „Na ja, mein Gott!“ will er keineswegs ein Gebet beginnen, sondern das Wort „Gott“ dient auch ihm nur als gedanklicher Satzfüller, als sprachliche Null-Nummer. Gott wird zum verbalen Pausenclown pervertiert. „Gott“ muss ersatzweise dort einspringen, wo nichts zu sagen ist und eigentlich auch nichts zu sagen nötig ist, einfach nur so, gedankenlos, herzlos, geistlos.
Zitat:
Ich würde mich weigern, an einen Gott zu glauben, den ich verstehen könnte.
(Graham Greene)
Ob es auch damit zu tun hat, dass das Bild, das viele Menschen von Gott haben, genauso verkommen und entstellt ist. Zum Beispiel der „Opa“-Gott: Harmlos und lieb und völlig außerhalb unserer modernen Zeit stehend, ein alter Mann mit Bart. Der „Klempner“-Gott: Man ruft ihn, wenn man in einer aktuellen Notlage ist, dann muss er ganz schnell helfen, aber sonst lässt man ihn in Ruhe. Der „Weihrauch“-Gott: Man braucht ihn zu Familienfesten, also Hochzeiten, Beerdigungen, Kindtaufen, auch am Heiligen Abend ist er ganz willkommen und sonst hat man aber keinen Kontakt mit ihm und möchte den Kontakt auch eigentlich gar nicht. Der „Buchhalter“-Gott: Er registriert alle menschlichen Fehler und Vergehen in seiner Personal-Kartei und verteilt zu gegebener Zeit die entsprechenden Strafen. Der „Versicherungs“-Gott: Man bringt bestimmte fromme Leistungen und sichert sich damit gegen Gefährdungen jeglicher Art. Der „Babysitter“-Gott: Er sieht alles, was passiert, und beobachtet uns ständig: „Ein Auge ist, das alles sieht, auch was in finstrer Nacht geschieht...“ sagte man früher den Kindern und flößte mit dieser pädagogischen Brandbombe den Kindern Angst ein, zur Hilfe bei der Erziehung und zum Schaden des Glaubens. Elmar Gruber hat viele Beispiele für solche unangemessenen Gottesbilder vorgelegt in seinen Überlegungen zu den Zehn Geboten.
Der Gott Jesu Christi aber ist ein anderer, er ist kein schwächlicher und kein argwöhnischer, kein unmoderner und kein menschenfeindlicher Gott, sondern ein starker, guter Vater, eine liebevolle, menschenfreundliche Mutter. Das sind natürlich Bilder und Vergleiche, aber sie deuten an, was das tiefste Wesen Gottes ist, den Jesus meint, wenn er „Gott“ sagt. Ein liebevoller Vater, der den Menschen in die Freiheit entlässt und den in der Freiheit gescheiterten Menschen wieder aufnimmt, ohne Vorwurf und ohne Bestrafung. Zu diesem Gott sagte Jesus „Abba“, was übersetzt etwa heißt „Papa“, “Väterchen“. Und Jesus macht uns sogar Mut, ebenso zu Gott zu reden. Jesus verkündet keines dieser schrecklich verzerrten Gottesbilder, sondern das einzige richtige Bild von Gott: einen Liebenden und Liebenswürdigen.
Allerdings: Unsere Bilder von Gott sind immer unserem Fassungsvermögen angepasst: Was immer wir von Gott denken und wie immer wir ihn uns vorstellen: Gott ist immer anders, als wir ihn uns denken, sonst wäre er nicht Gott. Oder sogar, wie ich kürzlich las: Gott ist immer ganz anders als anders!
Deswegen kann man gut verstehen, dass die Menschen des Volkes Israel unter dem strengen Verbot standen, sich ein Bild von Gott zu machen. Man dachte zunächst wohl an ein materielles, sichtbares Bild, aber auch unsere Vorstellungswelt produziert ja viele verbotene Gottesbilder. Die Juden haben bis heute eine solche Ehrfurcht vor dem großen Gottesnamen, dass sie ihn nicht nennen. Deshalb sind sie bestimmt nicht weniger fromm als wir Christen.
Oder sollte man den Namen „Gott“ überhaupt nicht mehr gebrauchen, vielleicht durch das Wörtchen „Du“ ersetzen, wie es ein weiser Mann vorgeschlagen hat. Aber ob damit das Problem gelöst ist?
Medientipp:
Glaube im Wandel
60 Schlüsselbegriffe erklärt.
Ulrich Zurkuhlen
144 Seiten, 3,50 Euro
ISBN 978-3-933144-20-1
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Vielleicht sollten wir angesichts des großen Gottes einfach schweigen und Gott Gott sein lassen, ohne ihn in selbst gemachten Bildern auf das Niveau von uns kleinen Menschen herabziehen zu wollen.
Kein Wort eines Menschen, auch nicht in der Bibel, kann Gott benennen. Bequeme Klarheit gibt es auf keiner Seite der Schrift, weder im dunklen Ringen des Buches Ijob, noch in dem Morgenlicht der Evangelien. Das Geheimnis Gottes wird nicht aufgeklärt, sondern als Geheimnis entfaltet. Hunderte von Namen lassen sich aus der Schrift ablesen, jeder ungenügend und doch alle zusammen von großer Kraft und klarer Zielrichtung. (Glaubensverkündigung für Erwachsene, S. 541.)