Behörden überlegen Konsequenzen nach „Querdenker“-Aktion

Anti-Corona-Demo in München als "Gottesdienst" - Kirchen protestieren

  • Eine zum Gottesdienst umdeklarierte „Querdenker“-Demonstration von Hygiene-Gegnern und dem früheren Fernsehpfarrer Jürgen Fliege in München hat ein Nachspiel.
  • Stadt und bayerische Staatsregierung kündigten Konsequenzen an.
  • Katholische und evangelische Kirche protestierten gegen die Instrumentalisierung christlicher "Formate".

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Eine zum Gottesdienst umdeklarierte „Querdenker“-Demonstration auf der Münchner Theresienwiese hat ein Nachspiel. „Es ist entlarvend, wie schamlos ausgerechnet angebliche Verteidiger der Grundrechte das Grundrecht auf Religionsfreiheit missbrauchen, um Demonstrations-Auflagen auszuhebeln“, schrieb der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Montag auf dem städtischen Twitter-Kanal.

Der Stellvertretende Sprecher des bayerischen Innenministeriums, Michael Siefener, erklärte auf Anfrage, die vom Veranstalter vorgenommene Umwidmung habe mit Religionsausübung nichts zu tun. Polizei und Versammlungsbehörden würden künftig solche „Ablenkungsmanöver von Beginn an unterbinden“. Der Einsatz auf der Theresienwiese werde „behördenintern eingehend nachbereitet“.

 

Fernsehpfarrer Jürgen Fliege als Redner dabei

 

Die Initiative „Querdenken 089“ hatte in München für Sonntagnachmittag eine Versammlung von 1.000 Teilnehmern genehmigt bekommen. Als diese Zahl deutlich überschritten wurde, teilte laut Polizeibericht ein Rechtsanwalt des Versammlungsleiters mit, dass nun keine Versammlung, sondern ein Gottesdienst stattfinden werde. Zunächst habe die Veranstaltung auch den Charakter eines Gottesdienstes gehabt, so die Polizei.

Für Gottesdienste unter freiem Himmel gibt es in Bayern keine Teilnehmer-Obergrenze. Allerdings muss der Veranstalter für die Einhaltung der Abstandsregeln und der Maskenpflicht sorgen sowie ein Hygienekonzept vorlegen. Dies war auf der Theresienwiese nicht der Fall, wo auch der frühere Fernsehpfarrer Jürgen Fliege als Redner auftrat.

Die Polizei schritt zunächst nicht ein, beendete die Veranstaltung aber nach zweieinhalb Stunden, als sie sich nach eigenen Angaben „immer stärker in die Zielrichtung eines Konzerts entwickelte“. Dies wurde als Verstoß gegen den Schutz von Allerheiligen als stiller Feiertag gewertet.

 

„Instrumentalisierung von kirchlichen 'Formaten'“

 

Der Sprecher der evangelisch-lutherischen Landeskirche, Johannes Minkus, nannte den Vorgang empörend und ärgerlich. Seit Monaten gäben sich tausende haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der Kirchen Mühe, die staatlichen Vorgaben für Gottesdienste einzuhalten. Dies sei ein „Riesenaufwand“, jede Kirchengemeinde habe ein eigenes mit den Behörden abgestimmtes Schutzkonzept. Nicht zuletzt wegen dieser verlässlichen Zusammenarbeit habe der Staat die Spielräume für Gottesdienste weiter gezogen. Dass die Veranstalter der Demo das ausgenutzt hätten, sei „unfair“.

Der Generalvikar des Erzbistums München und Freising, Christoph Klingan, wandte sich gegen eine „Instrumentalisierung von kirchlichen 'Formaten' für politische Zwecke“. In der Diskussion um geltende Regeln im Umgang mit Corona setze die Kirche auf „Gebet, Solidarität und schlicht verantwortungsvolles Handeln“, nicht auf Verschwörungstheorien oder Schwarz-Weiß-Denken. Für Gottesdienste mit katholischer Beteiligung müssten bestimmte Standards erfüllt werden, dazu zählten auch Abstandsregeln und Maskenpflicht.

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