Klaus Gaßner zu wertebasiertem Handeln

Auf festem Grund? Noch ist die deutsche Politik christlich imprägniert

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Wie krisenfest ist die Bundesrepublik Deutschland und ihre Politiker? Diese Fragen stellt sich in diesen Tagen des Ukraine-Krieges und drängt sich geradezu auf, kommentiert Journalist Klaus Gaßner.

Waffenlieferungen in Kriegsgebiete? Passé! Klimaschonende Energieerzeugung? Später wieder! Schuldenbremse? Schon, aber nicht gleich... Man muss sich in diesen Tagen verwundert die Augen reiben, wie schnell politische Positionen in Windeseile geräumt werden, wie sicher geglaubte Grundsätze über Bord gehen. Und nicht minder verwundert darf man sein, dass dies alles in der Erregungsrepublik Deutschland mit stiller Hingabe notiert wird. Ist das ein Zeichen hohen Vertrauens in die Politik? Oder steckt beunruhigende Indifferenz dahinter?

Realpolitik ist ein Handwerk, mit dem Politiker auf die Herausforderungen der Zeit reagieren, im Idealfall schnell und robust. Dabei geht es umso schneller und robuster, je sicherer das Handwerkszeug in der Hand liegt – und dazu gehört Etliches: gute Kenntnisse, belastbare Erfahrungen – aber eben auch: eine wertebasierte Grundordnung.

Flucht weg von den Volkskirchen

Der Autor
Klaus Gaßner ist Chefredakteur des Konradsblatts, der Wochenzeitung des Erzbistums Freiburg.

Als die Volkskirchen noch stark waren und voll im Saft standen, waren sie es, die den handelnden politischen Akteuren ihr theoretisches Rüstzeug geschneidert haben. Das kluge Diktum des einstigen Verfassungsrichters und Rechtsphilosophen Böckenförde, nach dem der Rechtsstaat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann, war stets gut aufgehoben: Das politische System der Bundesrepublik ist auch deshalb stabil, weil sich Männer und Frauen mit einer vom Taufbuch begründeten Überzeugung dort eingebracht haben – in den Volksvertretungen, in den Gerichten, in den Amtsstuben.

Wie lange noch? Die Flucht weg von den Volkskirchen reduziert auch die Zahl der Akteure, die sich christlich verorten. Das allein muss noch kein Problem sein. Aber es reduziert sich damit auch die Zahl derer, die in der Politik nicht nur ein Handwerk sehen, sondern mit politischem Handeln eine Idee verfolgen.

Ukraine-Krieg ein externer Schock

Der Ukraine-Konflikt hat so ziemlich alles durcheinandergewirbelt, was zur DNA der Republik zu gehören schien. Es ist ein externer Schock. Andere werden folgen. Es wird sich dann nicht nur zeigen, wie christlich die Republik impräg­niert ist. Es wird sich auch erweisen, wie gut das Fundament des Staates ist. Wer auf festem Grund steht, der kann sich auch mal weit hinausbeugen. Wem es fehlt, der gibt nicht nur feste Positionen auf, sondern auch sich selbst.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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