Jan-Christoph Horn über Streit, Überlastung und Aufbruch

Auslegung der Lesungen vom 5. Ostersonntag (A)

Auch die Urgemeinde in Jerusalem ist nicht nur ein Herz und eine Seele. Auch da gibt es Streit. „Gut so!“, sagt Pastoralreferent Jan-Christoph Horn aus Münster in seiner Auslegung der Sonntagslesungen. Hauptsache, es entsteht wirklich etwas Neues.

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Auch die Urgemeinde in Jerusalem ist nicht nur ein Herz und eine Seele. Auch da gibt es Streit. „Gut so!“, sagt Pastoralreferent Jan-Christoph Horn aus Münster in seiner Auslegung der Sonntagslesungen. Hauptsache, es entsteht wirklich etwas Neues.

Am heutigen Sonntag sind die biblischen Schrifttexte eine besonders freudige Überraschung. Sie lesen sich nämlich wie ein Fingerzeig zu der derzeitigen Diskussion um die Dienstämter in der Kirche – Stichworte Viri Probati, Diakonat der Frau und Leitung in und von Pfarreien. Aber wen mag es überraschen, dass die heiligen Texte nicht auch zu aktuellen Themen etwas aussagen können? Wären sie denn sonst heilig?

Beginnen wir mit der ersten Lesung, die aus der Apostelgeschichte stammt, also der Frühgeschichte unserer Kirche. Wir lesen, dass aus einer Überforderungssituation heraus ein neuer Dienst in der Kirche entsteht: der Tischdiener bei den Armen, die Urform des heutigen Diakonats.

 

Veränderung sucht man sich nicht aus

 

Das Evangelium zum Hören.

Das ist doch bemerkenswert: Der neue Dienst entsteht nicht aus Einsicht und Entscheidung, sondern aufgrund eines Streits zwischen rivalisierenden Gruppen und der Überlastung der Apostel. Hand aufs Herz – das deckt sich mit unseren Erfahrungen. Veränderung sucht man sich meistens nicht aus (und wenn ja, nennen wir es „Entwicklung“). Aber auch Druck ist eine Kraft und Frust eine Energie. Und wenn es gut läuft, ist man am Ende sogar dankbar für den Veränderungsimpuls.

So auch in der Erfahrung der jungen Kirche. Aus Konflikt und Stress entsteht Aufbruch. „Das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger in Jerusalem wurde immer größer.“ Aber bitte Obacht an der Stelle: Die Zahl der Jünger wird nicht größer, weil das Bisherige verlängert wird, sondern weil etwas wirklich Neues entsteht, eine Differenzierung vorgenommen wird.

 

Viri Probati? Weibliche Diakone?

 

Das müssten wir in unserer Zeit erst einmal nachmachen. Viri Probati, weibliche Diakone und Laien in der amtlichen Leitung wären dann nicht ein Fortschritt auf dem Weg, sondern ein neuer Wegabschnitt in unserer Kirche.

Das ist der Knackpunkt – oder der Eckstein, um es mit dem ersten Petrusbrief zu sagen. Dort steht: „Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen.“ Das benennt für mich die Grundhaltung. Im Kern sind es diese drei Worte: lebendig – geistig – Aufbau. Österliche Tugenden, nicht wahr?

 

Ernste Miene statt Osterlachen?

 

Wie bei einer Checkliste müsste man alle drei bejahen, bevor man überhaupt weiterdenkt. Denn der Eckstein, an dem man sich stößt und zu Fall kommen kann, ist nicht nur der Brocken, den man anderen hinwirft. Lesen Sie dazu einmal Vers 9, den letzten Satz der Perikope. Während uns der erste Teil runtergeht wie Öl, macht der zweite Teil deutlich, wozu wir alle Auszeichnungen erhalten haben und aus welcher Ausgangslage Gott uns befreit hat.

Klingen Ihnen diese biblischen Worte zu anstrengend und negativ? Eher nach ernster Miene statt Osterlachen? Mich erinnert es daran, dass wir Ostern zwar an einem definierten Punkt im Jahresverlauf feiern, die Realisierung dessen, was an Ostern aber mit jedem von uns geschieht, ganz bestimmt ein Prozess ist.

 

Erst Erfahrung, dann Wirkung

 

Schauen Sie sich die verschiedenen Osterberichte an: Sie erzählen alle von konkreten Erfahrungen mit dem Auferstandenen und in Folge dessen von einer Wirkung. Alle, die von der Auferstehung nur gehört haben, glauben es zunächst nicht. Auch eine mögliche Reform bestimmter kirchlicher Strukturen wird nicht ohne „Selbstreform“ (um es mit einem schönen Wort aus der ignatianischen Spiritualität zu sagen) zu gestalten sein.

Jesus als den Sohn des himmlischen Vaters zu bekennen, darum geht es auch im Evangelium. Philippus und Thomas – eine schöne Symbolik: der „erste“ und der „letzte“ Jünger bei Johannes – werden Aussagen in den Mund gelegt, mit denen wir uns leicht identifizieren können: Wohin führt der Weg? Zeig uns doch den Vater!

 

Das Reich Gottes ist kein „Kapselhotel“

 

Wenn Sie die Antwort Jesu lesen, machen Sie sich ein inneres Bild von dieser Szene: Wie ist der Tonfall Jesu? Wie steht er zu den Jüngern? Mein Bild ist, dass er die beiden etwas an die Seite nimmt, ihnen den Arm um die Schultern legt und ruhig, aber eindringlich spricht und die Dinge darlegt. Wie mit den Emmausjüngern auf ihrem Weg.

Der Autor
Jan-Christoph Horn ist Pastoralreferent in St. Mauritz Münster und Mitarbeiter der Fachstelle Pastoralberatung im Bischöflichen Generalvikariat MünsteJan-Christoph Horn ist Pastoralreferent in St. Mauritz Münster und Mitarbeiter der Fachstelle Pastoralberatung im Bischöflichen Generalvikariat Münster. | Foto: Privat

Im Blick auf die Frage nach den Diensten und Ämtern in unserer Kirche berührt mich das Bildwort von den vielen Wohnungen: Für jeden, der sich mit Jesus bewegt, hält das Reich Gottes eine Wohnung bereit – kein „Kapselhotel“, wie man sie aus dem asiatischen Raum kennt. „Wohnung“ klingt nach Raum und Gestaltungsmöglichkeit.

Die Kirche, die ein Abbild des Reiches Gottes sein möchte, müsste solchen gestaltbaren Raum anbieten. Und die Institution Kirche würde sich mit größeren Gestaltungsräumen vielleicht leichter tun, wenn wir uns vom Herrn her und nicht von reformerischen Antrieben bestimmen lassen. Anders gesagt: Wenn wir Ostern leben. 

Sämtliche Texte der Lesungen und des Evangeliums vom 5. Ostersonntag (Lesejahr A) finden Sie hier.

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