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Papst Benedikt XVI. formulierte "tief empfundenen Dank" für die "Begeisterung und die starke Religiosität der großen Massen von Gläubigen". Er habe gemerkt, wie viele Menschen in Bayern sich auch heute engagieren, "um ihren Glauben in der heutigen säkularisierten Welt zu bezeugen". Darüber schien er beim Abschied auf dem Flughafen zum Ende seiner sechstägigen Reise durch Bayern im September 2006 erleichtert zu sein.
In den Schlussworten intonierte er noch einmal die Kernbotschaft seiner Reise: Glaube und Vernunft sind kein Widerspruch. Auch in der säkularer gewordenen Gegenwart ist der Glaube gegenwärtig, kann lebendig und tief fromm sein und muss doch nicht verstaubt wirken.
Kein Triumphzug
Wer sich als gläubiger Mensch intellektuell dem Dialog der Moderne stellt, braucht seine Religion nicht außen vor zu lassen. Dazu ermutigte der Papst, Seelsorger und Vordenker, immer wieder. Nachdrücklich forderte er Philosophen und Wissenschaftler auf, die Gottesfrage nicht auszublenden.
Die Reise des Kirchenoberhaupts war kein Triumphzug. An den beiden großen Stationen München und Regensburg, vor allem in der Donaustadt, hatten die Veranstalter mit höheren Zahlen an Betern, Zuhörern und Zaungästen gerechnet. Das tat jedoch der fromm-fröhlichen Stimmung keinerlei Abbruch.
600.000 Menschen
Es waren mehr als 600.000 Menschen, die zu den Gottesdiensten kamen oder viele Stunden auf den Moment warteten, in dem das Papamobil an ihnen vorbeifährt. Allerdings begleitete den Besuch des Papstes an seinen früheren Lebensstationen auch ein Schuss Melancholie. Nicht nur über dem Gang zum elterlichen Grab und dem Besuch seines Pentlinger Hauses lag ein Abschiedshauch.
Geschickt verband der Papst in seinen Ansprachen Biographisches und Grundsätzliches. Am Schlusstag ermutigte er im Freisinger Dom, in dem 1951 der damals 24-Jährige die Priesterweihe empfing, Priester und Diakone: "Die Ernte ist groß, auch heute. Gott sucht Menschen, sucht solche, die sagen: Ich bin bereit, Deinen Erntearbeiter zu machen."
Verhältnis von Vernunft und Glauben
In Regensburg, wo er acht Jahre als Professor Theologie lehrte, sprach er über das Verhältnis von Vernunft und Glauben und verfocht die Bedeutung der wissenschaftlichen Theologie inmitten der modernen Universität. Diese Rede könnte die größte langfristige Wirkung entfalten.
In Altötting, wohin der kleine Joseph in den 1930er Jahren mit seinen Eltern pilgerte, sprach er über die Schönheit des Glaubens, über die schlichten und ernsten Formen. In München, wo er als Erzbischof von 1977 bis 1982 wirkte, leitete er die Ermutigung zum Gebet im Familienkreis und zur Sonntagsmesse mehrfach mit einem fast demütigen "Bitte" ein. Vor die kritische Anfrage an die deutsche Kirche - sie galt der Ausrichtung der kirchlichen Hilfswerke - setzte er erst einmal ein dickes Lob für das Engagement.
Bezüge zu brisanten aktuellen Fragen
Oft gab es Bezüge zu brisanten aktuellen Fragen - auch rund um den 11. September. Bundespräsident Horst Köhler gab der Papst den Appell mit, Deutschland möge sich mehr um die Integration der Muslime mühen. Deutlich äußerte er klare Kritik an jeder Ausübung von Gewalt im Namen Gottes. Auch die christliche Prägung Europas sprach er wiederholt an.
Das in Deutschland stets spannende Thema Ökumene hatte Köhler schon zum Auftakt angesprochen. Dessen Ruf nach weiterer Annäherung der Konfessionen nahm der Papst auf: Köhler spreche ihm aus dem Herzen. "Wir werden uns mit Herz und Verstand darum bemühen, dass wir zueinander kommen."
Papst wurde emotionaler und freier
Von Tag zu Tag wirkte der Papst emotionaler und freier. Immer öfter ließ er das Protokoll links liegen und nahm sich Zeit für die Menschen am Weg. Er schüttelte Hunderte Hände und segnete Kinder. Im Freisinger Dom ließ er unter dem Beifall der Seelsorger das Redemanuskript ein Stück Papier sein - "den vorbereiteten Text können sie ja dann nachlesen". Dann meditierte er druckreif frei über die Situation der Priester.
Nur selten war in den Besucherscharen ein "Wir sind Papst"-Sticker zu sehen. Dafür entfaltete sich unmerklich und dann immer deutlicher ein "Der Papst ist einer von uns"-Gefühl. "Allen ein herzliches Auf Wiedersehen, so Gott will", sagte der Papst zum Schluss und deutete damit auch leise an, dass er vielleicht doch noch einmal nach Deutschland kommt.
Dazu passte, dass er zum Abschied auf dem Flughafen die Bayernhymne zitierte: "Gott mit dir, du Land der Bayern, deutsche Erde, Vaterland! Über deinen weiten Gauen ruhe seine Segenshand! Er behüte deine Fluren, schirme deiner Städte Bau, und erhalte dir die Farben seines Himmels weiß und blau!"
Auch in diesem Augenblick schien die Sonne - wie seit sechs Tagen. "Hoch Ismail" sei Dank.