Acht Jahre unterm „Fallbeil“

Das Pontifikat von Benedikt XVI. im Rückblick

Am 28. Februar 2013 um 20 Uhr beendet Benedikt XVI. seinen Dienst als Papst. Nach einer Zeit in Castel Gandolfo zieht er sich in ein Kloster in den Vatikanischen Gärten zurück. Das Pontifikat Benedikts XVI. im Rückblick.

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Ein „Fallbeil“ habe er im Konklave auf sich herabfallen sehen, als es auf ihn als neuen Papst hinauslief. „Ganz schwindelig“ sei ihm geworden. „Ich habe mit tiefer Überzeugung zum Herrn gesagt: Tu mir dies nicht an! Du hast Jüngere und Bessere.“ So erzählte Benedikt XVI. am Tag nach seiner Amtseinführung deutschen Pilgern in der Audienzhalle. Drei Tage vor seiner Wahl war er 78 Jahre alt geworden. Nun ist er 85 Jahre alt – und hinter ihm liegen acht Dienstjahre in einem der zweifellos schwersten Ämter der Welt.

24 Reisen führten ihn in 22 Länder der Erde – drei davon nach Deutschland; zählt man die Türkei auch für Asien mit, besuchte er alle fünf Kontinente. 30 Mal war er innerhalb Italiens unterwegs. Das Internet-Portal „kath.net“ hat akribisch nachgezählt: Demnach verfasste er 17 Mal ein Motu Proprio, 116 Apostolische Konstitutionen, 144 Apostolische Schreiben, 278 öffentliche Briefe, 242 Botschaften, 352 Predigten und 1.491 Ansprachen.

 

Einführung am 24. April 2005

 

Als er am 24. April 2005 als „Bischof von Rom“ eingeführt wird, überrascht nicht nur diese Bezeichnung der Feier. Er trägt die spätantike Form des Palliums, jenen mit Kreuzen bestickten Woll-Überwurf, der an die frühe Zeit der Kirche erinnert. Die Unterschrift unter die vom damaligen Zeremoniar Piero Marini reformierte Papst-Einführungs-Liturgie gilt als die erste Benedikts XVI.

Es folgen weitere überraschende Zeichen: Im September 2005 trifft Benedikt den 1979 vom Vatikan gemaßregelten Theologen Hans Küng zu einem Gespräch. Kurz davor empfängt er allerdings auch den Generaloberen der traditionalistischen Piusbrüder – und damit beginnt eine der größten Belastungsproben seines Pontifikats.

 

Brief nach China

 

Kleine Dezentralisierung: Der Papst verweist Seligsprechungsfeiern in die Bistümer und nimmt selber nur noch Heiligsprechungen vor.

Zu Beginn des Jahres 2006 verzichtet er auf den Ehrentitel „Patriarch des Abendlandes“ – aus „historischem und theologischem Realismus“ und als ökumenisches Zeichen Richtung Ostkirche. Spannungen treten dafür mit China auf, nachdem die von der Staatsführung autorisierte „katholisch-patriotische Vereinigung“ zwei Bischöfe ohne Genehmigung Roms weihte. Gänzlich ungewöhnlich: Benedikt XVI. wendet sich in einem stärkenden Brief an die „römischen“ Katholiken Chinas.

 

Muslime und Juden

 

Den Zorn großer Teile der muslimischen Welt zieht der Papst bei einem Besuch an seiner früheren Wirkungsstätte als Professor auf sich. 2006 zitiert er in seiner „Regensburger Rede“ einen spätmittelalterlichen Kaiser, der sich abfällig über den Propheten Mohammed geäußert hatte. Nur zwei Monate später jedoch besucht er die Türkei, auch die „Blaue Moschee“ in Istanbul, und findet die richtigen Worte und Gesten, um das Missverständnis auszuräumen.

Für Irritation sorgt sein Apostolisches Schreiben „Summorum Pontificum“, mit dem der Papst ab September 2007 die vorkonziliare Liturgie als „außerordentlichen Ritus“ ohne weitere Zustimmung der Ortsbischöfe erlaubt. Dazu gehört auch eine Karfreitags-Fürbitte für die Juden, deren Einleitung nach Protesten zwar verändert wird, allerdings weiterhin um Erleuchtung der Juden zur Erkenntnis Christi bittet; die Überschrift „Für die Bekehrung der Juden“ bleibt unverändert.

 

Traditionen in der Liturgie

 

Im selben Jahr ernennt der Papst Guido Marini als Nachfolger seines Namensvetters Piero Marini zum Päpstlichen Zeremoniar. Seitdem ist in vielen Papstliturgien eine Rückkehr allemal zur Ästhetik des 19. Jahrhunderts feststellbar.

Benedikt XVI. tauscht das spätantike Pallium gegen jenes in der Form der Tridentinischen Reform aus, legt den Kreuzstab Pauls VI. ab und trägt seitdem einen größeren, goldenen, nimmt auf einem reich geschmückten Thron samt Baldachin Platz; kurzum: vieles wirkt wie aus einer anderen Zeit, allemal triumphaler. Welches Kirchen-, welches Papstbild soll diese Liturgiegestalt ausdrücken?

 

Die Welle der Missbrauchs-Fälle

 

Im April 2008 wird Papst Benedikt während seiner USA-Reise erstmals öffentlich massiv mit dem Skandal des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Geistliche konfrontiert. Bei einer USA-weiten Enthüllungswelle 2002 gingen rund 13.000 Missbrauchs-Klagen ein, die über einen Zeitraum von 60 Jahren etwa 5.000 Geistliche betrafen. Benedikt zeigt sich tief beschämt, verlangt rechtliche Schritte und stellt klar, pädophile Täter könnten nicht Seelsorger sein. Zudem trifft er sich mit einigen Opfern, was ihm hohe Achtung in der US-Öffentlichkeit einbringt.

Am 28. Juni eröffnet Benedikt XVI. das „Paulus-Jahr“ im Gedenken an den 2000. Geburtstag des Völkerapostels.

 

Piusbrüder und Kurie

 

Im Januar 2009 hebt der Papst die Exkommunikation von vier Bischöfen der Piusbruderschaft auf. Was als weiterer Schritt zu einer Versöhnung gedacht ist, gerät zum Debakel. Einer der zu rehabilitierenden Bischöfe, Richard Williamson, leugnete den Holocaust. Sollte das niemand im Vatikan gewusst haben?

Deutsche Bischöfe protestieren massiv, Hamburgs Erzbischof Werner Thissen spricht davon, im Vatikan sei „schlampig gearbeitet“ worden, selbst in Rom geht es hoch her: Der Präfekt der Bischofskongregation, Kardinal Giovanni Battista Re, soll den ihm unterstehenden Chef der zuständigen Kommission „Ecclesia Dei“, Kardinal Darío Castrillón Hoyos, gar einen Stümper geschimpft haben.

 

Besuch im Heiligen Land

 

Wenig später betont Papst Benedikt XVI. bei einer Begegnung mit jüdischen Spitzenvertretern aus den USA, die Schoah sei ein „Verbrechen gegen Gott und die Menschheit“. Bei seiner Reise ins Heilige Land im Mai 2009 besucht Benedikt XVI. die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem und erfährt nach seiner Begegnung mit Rabbinern große Anerkennung.

Ob es zu einer weiteren Annäherung der katholischen Kirche mit der Piusbruderschaft kommt, hat Benedikt XVI. seinem Nachfolger überlassen.

 

Priesterjahr und Missbrauch

 

Im Juni 2009 ruft Benedikt XVI. das „Jahr des Priesters“ aus, das vor allem in Deutschland vom Ausbruch des Skandals um Fälle sexuellen Missbrauchs in der Kirche überschattet wird. Manche sprechen von einem „annus horribilis“. Zum Abschluss des Priesterjahrs im Juni 2010 bittet der Papst in Rom um Verzeihung für Missbrauch durch katholische Kleriker.

Im selben Monat kündigt Benedikt XVI. die Einrichtung des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung an.

 

"Jahr des Glaubens"

 

Vertrauliche Dokumente gelangen 2011 direkt vom Schreibtisch des Papstes an die Öffentlichkeit. Vatikansprecher Federico Lombardi spricht von der „Vatileaks“-Affäre.

Zum 50. Jahrestag der Konzilseröffnung ruft Benedikt XVI. im Oktober 2012 das „Jahr des Glaubens“ aus. Am 6. Januar 2013 weiht er seinen Sekretär Georg Gänswein zum Erzbischof.

 

Der Rücktritt

 

Am 11. Februar 2013 kündigt Benedikt XVI. vor Kardinälen seinen Rücktritt an, weil „meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben“.

Am 28. Februar 2013, 20 Uhr, beendet Benedikt XVI. seinen Dienst als Papst. Nach einer Zeit in Castel Gandolfo zieht er sich in ein Kloster in den Vatikanischen Gärten zurück. Am 16. April 2013 wird er 86 Jahre alt.

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