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Nach der Studie zum Missbrauch in der deutschen katholischen Kirche sieht Bischofskonferenz-Sekretär Pater Hans Langendörfer großen Reformbedarf. Notwendig sei ein Mentalitätswandel, sagte er am Mittwochabend bei einem Streitgespräch mit der Journalistin Christian Florin in Köln. Dazu gehöre eine breite Debatte über den Zölibat und die Sexualmoral, die neue Erkenntnisse aufnehme und in Rom gehört werde. Auch sei jetzt die Zeit, konkret zu benennen, wer genau in den Bistümern für den Einsatz und die Versetzungen von Missbrauchstätern verantwortlich war.
Langendörfer forderte auch ein kirchliches Straf- und Disziplinarrecht für die deutsche Ebene. Bei Missbrauchstätern nütze es wenig, wenn Fälle erst nach Jahren entschieden werden könnten.
Überdies muss es nach seinen Worten mehr Gewaltenteilung in der Kirche geben, indem etwa in Deutschland eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt wird. Bislang sei in strittigen Fragen nur in Rom ein Rekurs möglich. Nach vielen Jahren des Wartens gebe es dann oft kein Ergebnis. Das ganze kirchliche Gerichtswesen sollte stärker national gestaltet werden.
Christiane Florin: Die Debatte ist 50 Jahre alt
Die Journalistin Christiane Florin sagte vor dem Gespräch in einem Interview mit dem Kölner „Domradio“, der Umgang der katholischen Kirche mit sexuellem Missbrauch sei „ein Verrat an der eigenen Botschaft“. Durch diese Diskrepanz habe die Kirche die Autorität verloren, moralische Vorgaben zu machen.
Ein Umdenken könne sie nach Veröffentlichung der Missbrauchsstudie im September 2018 nicht erkennen, so Florin. Stattdessen gehe es in der Kirche „weiter in den üblichen Diskussionsroutinen“. Reformvorschläge nannte die Journalistin „halbherzig“: „Die Debatte ist mindestens 50 Jahre alt, und bisher ist noch nichts Entscheidendes passiert“, sagte sie etwa mit Blick auf die Frage nach der Priesterweihe auch für Frauen.
3.677 Betroffene, 1.670 Beschuldigte
Mit Blick auf das Gespräch mit Pater Langendörfer sagte Florin in dem Interview, sie frage sich, „wie man, wenn man so lange schon dabei ist und auch schon bei dem ersten Missbrauchsskandal 2010 dabei war, eigentlich noch in den Spiegel gucken kann“.
Eine von den Bischöfen beauftragte Forschergruppe hatte in den kirchlichen Akten der Jahre 1946 bis 2014 Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute gefunden.